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Shark Info   (09.02.1997)

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  Intro:

Hai «Kinderstuben»

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  Hauptartikel:

Uferzerstörungen vernichten Kinderstuben der Haie

Shark Info

  Artikel 1:

Keine Haie auf der Roten Liste des Artenschutzabkommens

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  Fact Sheet:

«Milkshakes» und Kannibalismus

W. C. Hamlet


Fact Sheet: «Milkshakes» und Kannibalismus

Vielfältige embryonale Ernährung bei Haien und Rochen

Von Dr. William C. Hamlett

Der Grossteil der Knorpelfische besteht aus den den beiden Unterklassen Haie und Rochen, den sogenannten Elasmobranchiern (Plattenkiemer). Diese altertümliche Tiergruppe erstaunt mit einer grossen Vielfalt von Fortpflanzungs-Strategien. Sie reichen vom Eierlegen bis hin zum Lebendgebären. Dabei ist die lebendgebärende Entwicklung die vielseitigste. Sie umfasst eine breite Formenvielfalt embryonaler Ernährungsvarianten: vom mütterlichen «Milkshake» bis hin zum intra-uterinen Kannibalismus, dem Auffressen in der Gebärmutter, oder plazentalen Verbindungen, die jenen des Menschen ähneln.

Haie und Rochen haben eines gemeinsam: sie kennen alle eine innere Befruchtung. Zu Kopulationsorganen umgestaltete Bauchflossen (Klasper) der männlichen Tiere bilden eine der Voraussetzungen dazu. Um ihren Nachwuchs mit Nahrung zu versorgen, haben Haie und Rochen eine erstaunliche Vielfalt von Fortpflanzungs-Spezialitäten entwickelt.

In ihrer ersten Entwicklungsphase sind Haie und Rochen von der Dotter-Reserve im Dottersack abhängig. Die Aufnahme des Dotters geschieht gleichzeitig auf auf zwei Arten: Einmal wird er mit Hilfe von Enzymen verdaut, umgewandelt, durch die Innenwand des Dottersacks absorbiert und ins fötale Zirkulationssystem übergeben. Die zweite Art der Versorgung: die behaarten Zellen des Dottersackkanals (Ductus vitellointestinalis) der Verbindung zwischen Dottersack und Fötus, befördern Dotterplättchen zum Magen des Nachwuchses, wo sie verdaut werden.

Viviparie

Illustration:
René Kindlimann / Shark Info 1997

Die Fortpflanzung von Haien und Rochen geschieht entweder eierlegend (Oviparie) oder lebendgebärend (Viviparie) Bei der Oviparie sind die Embryonen vollständig vom Dottersack abhängig und sie werden in dickschaligen Eiern geboren. Bei der Viviparie dagegen sind die Embryonen lediglich zu Beginn dotterabhängig; anschliessend erhalten sie bis zur Geburt mütterliche Nahrung.

Lebendgebärende Arten unterscheiden sich von den eierlegenden generell durch eine andere Geburtsform und eine unterschiedliche Art der Nahrungsversorgung. Die Lebendgebärung ist entweder aplazental ohne eigentliche mütterlich-fötale Verbindung oder plazental, wo die verbindenden Organe sowohl aus mütterlichen als auch aus fötalen Geweben bestehen. Dies ermöglicht einen Austausch von Nahrung, Gasen und Abfallprodukten.

Nach der Befruchtung gelangen die Eier via Eileiter in den Bereich der Nidamentaldrüse oder Schalendrüse. Diese paarigen Drüsen erfüllen zwei Funktionen: einmal die Aufbewahrung von Spermien und zum andern die Absonderung von Schleim, Eiweiss- und Eierschalenstoffen.

Die Schalenbildung ist von Art zu Art unterschiedlich und hängt mit der Fortpflanzungsweise zusammen. Nachdem das Ei gelegt ist, verhärtet sich bei eierlegenden Arten die Schale. Damit wird der Embryo vor Räubern wie zum Beispiel Schnecken geschützt, aber auch vor physikalischen Einwirkungen wie den Wellen in Brandungszonen. Diese Nymphentäschchen genannten Eier findet man ab und zu auch an Stränden.

Lebendgebärende Haiarten halten ihre Embryonen im hinteren Teil des Eileiters zurück, der in diesem Fall die Funktion einer Gebärmutter übernimmt. Die Verbindungen mit den mütterlichen Organen reichen dabei von einfach gebauten, dottersackabhängigen Embryonen bis hin zu einer durchbluteten Plazenta, vergleichbar mit jener von Säugetier. Die Gebärmutterphase dauert 2 bis 3 Monate bei einigen Rochenarten, 9 bis 11 Monaten bei einigen plazentalen Haiarten und bis zu 24 Monaten bei aplazentalen Dornhaien (Squalus acanthias).

In einigen anderen Haiarten entwickelten sich in der Gebärmutter Ausstülpungen (Zotten), die eine Nahrungsflüssigkeit produzieren, die vom Embryo aufgenommen wird. Menge und Zusammensetzung dieser Gebärmutter-Sekretion zeigen wohl bei Stechrochen das erstaunlichste Ergebnis: der Embryo ist am Schluss 5 000 Prozent schwerer als zu Beginn.

Bei einigen der lamnoiden Haien (z.B. Weisse Haie, Herings- und Makohaie) ist eine seltsame Fortpflanzungsstrategie bekannt. Die mütterlichen Eierstöcke produzieren teilweise Tausende von relativ kleinen, etwa erbsengrossen Eiern, die alle in einer Schale eingeschlossen sind. Während der Entwicklung dieser lamnoiden Embryonen wird der Dottersack schnell aufgebraucht. Dabei entwickelten etwa Sanddtigerhaie i(Carcharias taurus) eine interessante Anpassung: Wenn sie etwa 30 mm lang sind, wachsen ihnen Zahnknospen, die sich später, bei einer Körperlänge von 60 mm, zu mehreren Zahnreihen entwickeln. Mit dieser Bezahnung reissen die Sandtiger-Embryos ihre Eierschale auf und fressen anschliessend andere uterine Eier. Diesen Vorgang bezeichnet man als Oophagie (Eierfressen). Oder sie fressen danach auch andere Embryonen, was Embryophagie oder intra-uteriner Kannibalismus genannt wird. Als Resultat bleibt am Ende nur ein einziger Fötus pro Gebärmutter übrig. Dieser besitzt mit einer Länge von über einem Meter bei Sandtigerhaien geradezu gigantische Ausmasse.

Auch bei plazentalen Haien ist der Beginn der Entwicklung dottersackabhängig. Jedoch hängt hier der Dottersack nicht an der Gebärmutterwand, sondern die Dottersackschnur und der Dottersack werden in eine Nabelschnur umfunktioniert.

Die meisten plazentalen Haien besitzen eine glatte Nabelschnur. Bei einigen wenigen Arten hat sie jedoch die Form girlandenartig angeordneter durchbluteter Anhängsel (Appendikulae) Diese können aus der uterinen Umgebung Flüssigkeiten aufnehmen. Diese Strukturen dienen möglicherweise der Nahrungsaufnahme via Plazenta-Gewebe und sind vermutlich in Funktion, während sich die eigentliche Plazenta bildet.

* Dr. William C. Hamlett ist Associate Professor an der Universität von Notre Dame und unterrichtet and der Indiana University School of Medicine. Er ist ein Experte auf dem Gebiet der Fortpflanzung und hat zu diesem Thema ausführlich publiziert.

Verwendete Literatur:

    Hamlett, W. C. (1987) Comparative morphology of the elasmobranch placental barrier. Arch. Biol. (Bruxelles). 98:135-162.

    Hamlett, W. C. and B. Tota (Co-Editors). (1989). Evolutionary and Contemporary Biology of Elasmobranchs, J. Exper Zool., Suppl. 2, Alan R. Liss, Inc., New York, 198 pages.

    Hamlett, W. C. and John Rasweiler, IV (Co-Editors). (1993). Comparative Gestation and Placentation in Vertebrates, Part I. Chondrichthyes, Osteichthyes, Amphibia, Reptilia and Marsupilia. J. Exp. Zool., Vol. 266, no. 5, Alan R. Liss, Inc., New York, 138 pages.

    Hamlett, W.C., A.M. Eulitt, R.L. Jarrell and M.A. Kelly. (1993). Uterogestation and Placentation in Elasmobranchs. J. Exp. Zool. 266: 347-367.

Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Dr. William C. Hamlett



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modifiziert: 04.06.2016 11:48