Von Dr. John F. Morrissey
Die Geschichte der Entdeckung der Riesenmaulhaie (Megachasma pelagios) ist fast so
interessant wie ihre Biologie selbst. Eigentlich hätte man diese Art, deren Vertreter
meist eine Länge von 500 cm erreichen, schon vor vielen Jahren entdecken müssen.
Das erste Exemplar wurde jedoch erst am 15. November 1976 ausgemacht. Jener Hai, ein 446 cm
langes Männchen, wurde von einem U.S. Navy Schiff vor Kahuku Point, Oahu, Hawaii,
gefangen, als die Mannschaft ihren Treibanker heraufzog, in dem sich der Hai verfangen
hatte. Seltsamerweise wurde dieser faszinierende Hai bis 1983 wissenschaftlich nicht
beschrieben (Taylor et al., 1983), obwohl bereits im Jahr zuvor seine einzigartigen
Parasiten beschrieben worden waren (Dailey and Vogelbein, 1982). Danach wurde
erstaunlicherweise für fast zehn Jahre kein weiterer Riesenmaulhai mehr gesichtet. Zu
jener Zeit nahmen die Biologen an, dass die Seltenheit dieser Art darauf beruhe, dass
diese Tiere normalerweise in tiefen, pelagischen Regionen der Meere lebten.
Das zweite Exemplar wurde am 29. November 1984, also fast acht Jahre nach
dem ersten Fund, von Berufsfischern mit einem Tiefseenetz vor Catalina Island,
Kalifornien, gefangen (Lavenberg and Seigel, 1985). Dieses 449 cm lange Männchen
wurde präpariert und kann heute vom Publikum im Los Angeles County Museum in
Kalifornien besichtigt werden.
Und wiederum mussten die Wissenschafter mehrere Jahre warten, bis ein
weiterer Riesenmaulhai gefangen wurde. Am 18. August 1988 wurde ein 515 cm langes
Männchen rund 50 km südlich von Perth, Westaustralien, in der Nähe des
Mandurah-Estuariums, ans Ufer gespült (Berra and Hutchins, 1990; Berra and Hutchins,
1991). Dieses dritte Exemplar, das im Westaustralischen Museum ausgestellt wurde, war
insofern bemerkenswert, als es eine Vergrösserung des Verbreitungsgebietes zum
östlichen Indischen Ozean hin belegte. Die weite Verbreitung von Kalifornien bis
Westaustralien ist typisch für Tiefseearten, weil die Bedingungen in der Tiefsee
relativ gleichmässig sind.
Der erste Riesenmaulhai wurde also erst 1976 entdeckt und es dauerte ganze
12 Jahre, um drei weitere Tiere zu fangen. Anschliessend begannen Riesenmaulhaie
unerklärlicherweise überall auf der Welt aufzutauchen. In den 10 Jahren nach dem
dritten Fang wurden neun weitere Tiere beobachtet, sechs davon seit November 1994. Bis
heute wurde keine Hypothese aufgestellt, die diesen plötzlichen Boom der
Riesenmaulhaie erklären könnte.
Der vierte Riesenmaulhai, ein grosses Männchen, wurde am 23. Januar
1989 auf dem Sandstrand der Präfektur Shizuoka, Japan, aufgefunden, bevor das Tier
wieder ins Meer hinausgespült wurde (Nakaya, 1989). Am 12. Juni 1989 verfing sich ein
500 cm langes Exemplar in der Suruga Bay, Japan, in einem Stellnetz. Es wurde wieder
freigelassen, da man annahm, dass es sich dabei um einen Riesenhai (Cetorhinus
maximus) handelte (Miya et al., 1992). Das nächste Tier, ein 495 cm langes
Männchen, ging am 21. Oktober 1990 vor Dana Point, Kalifornien, in ein Treibnetz und
wurde berühmt, weil man es während über 50 Stunden ununterbrochen mit einem
Peilsender verfolgt hatte (Lavenberg and Seigel, 1985). Ein Vogelbeobachter entdeckte am
29. November 1994 in der Hakata Bay, Fukuoka, Japan, wiederum einen gestrandeten
Riesenmaulhai. Dieses 471 cm lange Exemplar war das erste Weibchen und diente als
Grundlage für eine multinationale wissenschaftliche Untersuchung (Yano et al., 1997).
Der Fang des achten Riesenmaulhais war wichtig, da er den ersten Nachweis dieser Art im
Atlantik darstellte und auch, weil das Tier wesentlich kleiner war als die anderen. Das
noch nicht geschlechtsreife Männchen (ca. 180 cm lang) wurde am 4. Mai 1995 im
Trichternetz eines französischen Thunfisch-Fangbootes vor Dakar, Senegal, gefangen
(Séret, 1995). Erstaunlicherweise war auch der nächste Riesenmaulhai ein
junges Männchen aus dem Atlantik. Dieses Exemplar geriet zufällig am 18.
September 1995 einem brasilianischen Langleinenfischer vor Südbrasilien an den Haken
(A. Amorim, pers. Mitteilung). Die letzten drei Exemplare, alle 500 cm lange Weibchen,
wurden erst kürzlich im tropischen Westpazifik gefangen. Das zehnte am 1. Mai 1997
vor Toba, Japan (Yano et al., in der Presse), das nächste vor den Philippinen
(Morrissey and Elizaga, in der Presse) und das letzte am 23. April 1998 vor Atawa, Japan
(Yano et al., 1998), gerade einmal 25 km vom Fangort des zehnten Exemplars entfernt.
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Dieser Riesenmailhai (Megachasma pelagios) wurde 1990
mit einem Peilsender markiert und konnte anschliessend für über
50 Stunden verfolgt werden.
© Shark Info / Tom Haight
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Riesenmaulhaie sind heute aus allen tropischen Meeren bekannt, mit
Ausnahme des westlichen Indischen Ozeans. Es ist wahrscheinlich, dass diese Art rund um
die Tropen verbreitet ist und auch weit häufiger vorkommt, als dies durch ihre
vertikale Wanderung den Anschein machen würde. Die telemetrische Verfolgung des
sechsten Exemplars (Nelson et al., 1997) bestätigte frühere Vermutungen, dass
diese Art gewöhnlich die Tiefsee bewohnt, was vielleicht für das sporadische
Auftauchen der nur gerade einmal 12 Exemplare verantwortlich sein könnte. Der Hai
wurde über zwei ganze Tage lang verfolgt und verbrachte dabei die Tage in einer
mittleren Tiefe von 149 m (bei einer lokalen Wassertiefe von 700 - 850 m) und die
Nächte in einer mittleren Tiefe von 17 m. Entsprechend blieb dieses Tier in der
epipelagischen Zone, folgte den vertikalen Wanderungen des Zooplanktons und ernährte
sich davon (Forward, 1987; Hu, 1978). Die Peilsenderdaten widerlegen frühere
Bedenken, dass Riesenmaulhaie Schwierigkeiten hätten, in der Tiefsee genügend
Plankton zu finden (Diamond, 1985). Zudem widerlegte die Entdeckung dieses Verhaltens die
frühere - auch von der Histologie nicht belegte (Nakaya et al., 1997) - Hypothese der
Notwendigkeit eines Leuchtorgans im Maul (Taylor et al., 1983).
Der Megachasma pelagios ist ein faszinierender Hai mit vielen, noch
ungelösten Geheimnissen. Die Antworten auf zahlreiche offenen Fragen zur
natürlichen Biologie dieser Tiere werden wohl in zufälligen Funden weiterer
Exemplare zu suchen sein.
Verwendete Literatur
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Diamond, J. M. (1985). Filter-feeding on a grand scale. Nature 316,
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the Japanese Society for Elasmobranch Studies 26, 36-39.
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Capture of a mature female megamouth shark, Megachasma pelagios, from Mie, Japan.
Cybium.
(7707 Zeichen inkl. Literaturverzeichnis)
* Dr. John F. Morrissey ist Assistenzprofessor an der HOFSTRA
Universität, New York und Autor mehrerer Veröffentlichungen zu Megachasma
pelagios.
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Dr. John F. Morrissey
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