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Shark Info   (15.12.1999)

Author

  Intro:

Haiunfälle

Dr. E. K. Ritter

  Hauptartikel:

Anatomie der Haiunfälle

Dr. E. K. Ritter

  Artikel 1:

Ein Hai-Forschungsprojekt der US-Regierung

Shark Info

  Artikel 2:

Haiflossenmarkt in San Francisco

Harald Gay

  Fact Sheet:

Tigerhaie

Shark Info


Haiflossenmarkt in San Francisco

Von Harald Gay

«Und der Haifisch, der hat Zähne ...», Bertold Brecht

Aber was ist mit seinen Flossen passiert? Die Realität hat leider schon lange nichts mehr mit Prosa oder den guten alten Tagen der christlichen Seefahrt und der damit verbundenen Fischerei zu tun. Diese Erkenntnis wurde meinen Begleitern und mir bei einem Rundgang durch das chinesische Viertel China Town in San Francisco auf schmerzliche Weise vor Augen geführt.

«Das Meer ist weit, das Meer ist blau, im Meer da schwimmt ...», Heinz Erhardt

... wenn wir so weitermachen, bald kein Hai mehr! Wie schon früheren Ausgaben von Shark Info und anderen Publikationen zu entnehmen war, ist der Hai und insbesondere seine Flossen zum Ziel eines besonderen Fischereizweiges geworden. Der Handel mit den Haiflossen floriert, denn die Nachfrage aus den Hauptabnehmerländern, wie zum Beispiel China und Taiwan ist gross, mit steigender Tendenz.

Haiflossen

Haiflossen im chinesischen Viertel von San Francisco.

© Harald Gay / Hai-Stiftung

Für die von rückläufigen Fangergebnissen geplagte Fischerei und die schlecht bezahlten Seeleute stellt dies eine willkommene Aufbesserung ihrer mageren Einkünfte dar (ca. 30 Dollar pro Pfund). Ganze Haie, die oft nur als Beifang ins Netz oder an den Haken gehen, stellen für die Fischer keinen Wert dar, denn als Speisefisch gilt Hai als nicht besonders hochwertig und erzielt entsprechend auf den Auktionen keine hohen Preise. Lediglich die Flossen, die je nach Haiart, nur 8-14% des Körpergewichtes des Haies ausmachen, können für gutes Geld verkauft werden. Den Haien werden kurzerhand die Flossen vom Körper abgetrennt und zum Trocknen unter freiem Himmel ausgelegt. Besonders verachtenswert ist die gängige Praxis, sich nach dem Anlanden des Tieres nicht gross mit dessen schneller Tötung aufzuhalten, sondern ihm gleich bei lebendigem Leib alle wertvollen Flossen (Brust-, Rücken- und manchmal auch die Schwanzflosse) abzutrennen - der so verstümmelte Hai wird zurück ins Meer geworfen und verendet dort qualvoll.

«Wer nicht lächeln kann, sollte seinen Laden schliessen», Lao-tse

Dieses Lächeln verschwand sehr schnell, sobald die chinesischen Verkäufer feststellten, dass wir versuchten in ihren Läden das Ausmass vom Handel mit Haiflossen und Haiknorpelpräparaten auf Foto und Video zu dokumentieren. Mehr als nur einen Laden mussten wir überstürzt verlassen, um Handgreiflichkeiten zu vermeiden.

«Nein, nein, für Ihren Anspruch benötigen Sie nur die beste Qualität» hörte ich einen geschickten Händler argumentieren. Er redete auf eine ältere Frau ein, die eine getrocknete Haiflosse in ihrer Hand hielt. Ein Begleiter der Frau betrachtete die Flosse beeindruckt und ehrfürchtig zugleich. Die Tatsache, dass die Preise für Haiflossen explodiert sind und die Flosse in der Hand der Frau rund 250 Dollar kostet, scheint für die unscheinbar gekleidete Frau und ihren Begleiter kein Hinderungsgrund zu sein. Auf Drängen anderer Verkäufer verliessen wir den Laden und konnten daher nicht mehr verfolgen, ob die Bemühungen des Verkäufers von Erfolg gekrönt wurden.

«Der Aberglaube ergreift nur falsche Mittel, um ein wahres Bedürfnis zu befriedigen», Johann Wolfgang von Goethe

Als Aphrodisiaka werden Haiflossen in Fernost angepriesen. Aphrodisiaka, so bezeichnet man Mittel, die den Geschlechtstrieb und die Potenz steigern sollen, zum Beispiel bestimmte Gewürze, Alkohol oder bestimmte Hormone. Viele symbolische und mystische Mittel werden dazu gezählt, deren Wirkung wohl mehr auf dem Glauben an einen Liebestrank und an die Tradition, als auf nachweisbaren Wirksubstanzen beruht. Wie Tigerknochen und Tigerhoden gilt Haiflossensuppe vor allem in fernöstlichen Kulturen traditionell als besonders wirksames, die Manneskraft stärkendes Mittel. Es kann nicht der Geschmack sein, denn Haiflossen haben keinen. Vielmehr werden sie in Hühnerbrühe mehrere Stunden lang aufgekocht, damit sie im Zusammenspiel mit Gewürzen einen für den Gaumen angenehmen Geschmack annehmen. Wir können nur erahnen, wie viele Haie für das zweifelhafte Vergnügen so einer Haiflossensuppe ihr Leben lassen müssen.

In der Volksrepublik China war Haiflossensuppe eigentlich verpönt. Sie galt als kapitalistisch und dekadent und war somit als Nahrungsmittel nicht «parteikonform». Die Veränderungen des politischen Klimas, der wirtschaftliche Boom in den Sonderwirtschaftzonen und der Einzug von westlichen Einflüssen sorgte allerdings dafür, dass man sehr schnell wieder auf den Geschmack an dekadenten Dingen gekommen ist.

Knorpelpräparate

Haiknorpelpräparate im chinesischen Viertel von San Francisco.

© Harald Gay / Hai-Stiftung

Die Anzahl der in den zahlreichen Geschäften zum Verkauf angebotenen Flossen überstieg bei weitem unsere Erwartungen. Aber nicht nur Flossen wurden zum Verkauf angeboten. Alle Geschäfte boten auch Haiknorpel-Präparate in allen erdenklichen Formen an. Auf den offenen Fischmärkten wurde zudem auch Haifleisch verkauft. Bei einigen Fischhändlern fanden wir portionsgerecht zerteilte Leopardhaie (Triakis semifasciata), die gleiche Art, die täglich von hunderten Kindern und Erwachsenen im unweit gelegenen Steinhardt-Aquarium bewundert wird.

In den von uns besuchten Geschäften machten wir zusammengefasst folgende Beobachtungen: Haiflossen wurden nie unter einem Preis von 100 Dollar pro Pfund zum Verkauf angeboten, der mittlere Preis lag bei ca. 180 - 200 Dollar. Die höchsten Preise lagen bei 335 Dollar pro Pfund und 250 für eine einzelne Flosse. Bei Knorpelprodukten war die gesamte Palette von Dragees, Pastillen und flüssigen Präparaten käuflich erwerbbar. Die gängigen Packungsgrössen lagen zwischen 50 und 100 Dragees oder Pastillen und wurden für 12 bis 18 Dollar verkauft. Überrschend war für uns die Erkenntnis, dass diese Produkte nicht wie von uns vermutet in Asien oder Südamerika hergestellt werden, sondern direkt vor den Toren San Franciscos.

«Bikinis sind wie Statistiken: sie zeigen Verlockendes, aber verbergen das Wesentliche», Aaron Levenstein

Warum sollte das in der Fischerei anders sein? Haie werden in den offiziellen Statistiken der Fischereibehörden nur als Beifang erfasst, in der Regel ohne genauere Artbezeichnung. Daher sind bis heute in den meisten Ländern auch noch keine rechtlich bindenden Quoten zum Schutz der Haie erlassen worden. Nur wenige Länder haben Programme zur Arten- und Populationserfassung, um genauere Daten über die Haie in ihren Gewässern zu erhalten. Dass über Haipopulationen - manche Arten wandern über tausende von Seemeilen - nur langfristig verlässliche Daten zu erhalten sind ist nicht schwer zu verstehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass geeignete Massnahmen dann zu spät kommen könnten, ist jedoch besorgniserregend.

«Empörung ist noch keine Aktion, wohl aber ein Antrieb», Scharping

Nach Abschluss unseres Rundgangs waren wir schockiert über das, was wir in Erfahrung gebracht hatten. Uns wurde klar, dass noch vieles getan werden muss, um ein Überleben der Haie auch im nächsten Jahrtausend zu sichern. Das Meer ist für die Menschheit zum Selbstbedienungsladen geworden, in dem sich, zumindest in der Vergangenheit, immer wieder die Regale von selbst gefüllt haben. Doch seit einigen Jahrzehnten nimmt sich der Mensch immer mehr aus den Regalen, ohne sich darum zu kümmern, wer die geplünderten Reihen wieder auffüllt. In unserer heutigen Zivilisation sollte klar sein, dass nur begrenzt verfügbare Ressourcen nicht zu Gunsten von Aberglaube, Präparaten mit zweifelhaftem Wirkungsgrad und Profitgier ausgeschöpft werden dürfen. Nur eine sinn- und massvolle Nutzung der Meere wird auf Dauer ein Überleben beider garantieren - das der Haie und das der Menschen.

* Harald Gay beschäftigt sich schon seit Jahren mit Haien und ist ein begeisterter Taucher. Er ist Mitglied der Deutschen Elasmobranchier Gesellschaft und für den Haischutz tätig.

Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Harald Gay



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modifiziert: 04.06.2016 11:48