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Shark Info   (20.12.2002)

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  Intro:

Fernortungs-Sonar bedroht die Ozeane

Shark Info

  Hauptartikel:

Fernortungs-Sonar bedroht die Ozeane

Dr. A. J. Godknecht

  Artikel 1:

Wal- und Riesenhaie endlich in Anhang II von CITES

Shark Info

  Artikel 2:

Hai-Forschungsreise in den Golf von Mexiko (Teil II)

Dr. A. J. Godknecht, Dr. G. D. Guex

  Fact Sheet:

Kubanischer Dornhai

Shark Info


Fernortungs-Sonar bedroht die Ozeane

Von Dr. A. J. Godknecht

Die US Marine und neuerdings die NATO testen ein Sonarsystem, das U-Boote über weite Distanzen orten soll. Dieses Sonarsystem soll in Zukunft etwa 75% unserer Ozeane abdecken. Um diese Abdekkung zu erreichen, arbeitet das Niederfrequenz Aktiv Sonar oder LFAS (Low Frequency Active Sonar) mit Ausgangsschallpegeln von über 215 Dezibel. In 480 km Entfernung können noch Druckpegel von 140 Dezibel gemessen werden, Druckpegel, wie sie bei einem Schuss entstehen. Derartiger Lärm ist für Lebewesen auch über kurze Dauer schädlich. Nicht nur Wale und Delphine, sondern auch Haie und Knochenfische werden von diesen Schalldetonationen bedroht.

LFAS

Das Sonarsystem besteht aus zwei Komponenten, dem Empfänger SURTASS oder „Surveillance Towed Array Sensor System” und dem eigentlichen, aktiven Sender LFAS oder „Low Frequency Active Sonar”.

© Shark Info

Das Gehör als wichtiges Ortungssystem im Meer

Die Sicht reicht im Meer in der Regel nicht sehr weit. Schall verbreitet sich dagegen im Wasser ca. vier mal schneller als in der Luft, wobei sich die niedrigen Frequenzen weiter verbreiten als die Hohen. Deshalb ist das Gehör, darüber sind sich Biologen einig, für Wasserlebewesen der wichtigste Ortungssinn im Mittel- und Langstreckenbereich. Mit dem Gehör können Beute oder potentielle Feinde geortet werden. Es dient jedoch auch zur Identifikation von Artgenossen und zur Kommunikation. Vor allem für Haie, Knochenfische und Meeressäuger wie Wale und Delphine ist das Gehör überlebenswichtig.

Haie haben ein ausgezeichnetes Gehör (siehe Kasten „Das Gehör der Haie“). Sie hören im niederen Frequenzbereich um die 100 Herz (Hz) am besten, denn in diesem Bereich liegen die Schwingungen, die zum Beispiel von verletzten Fischen erzeugt werden.

Akustische Umweltverschmutzung in den Ozeanen

Je stiller ein Raum, desto deutlicher und klarer kommen die Schallwellen beim Empfänger an. Oder anders ausgedrückt: wer würde sich ein Klavierkonzert von Chopin auf einer Baustelle anhören?

Was an Land gilt, gilt auch für die Ozeane. Doch die ehemals stillen Ozeane werden von Jahr zu Jahr lauter. Die natürlichen Hintergrundgeräusche von Wellen, Wind, Sand und Regen werden sekundär. Die relative Stille der Meere wird von den Motoren der Riesentanker, Fähren, Fischerboote und anderen Wasserfahrzeugen immer stärker gestört. Fast jedes dieser Schiffe erzeugt zudem permanent Schallimpulse (Sonar) zur Tiefenmessung. Weitere, vom Menschen verursachte Schallemissionen sind Sprengungen für Öl- oder Erdgasbohrungen, Unterwasserarbeiten an Ölplattformen und Pipelines, Bauarbeiten in Häfen und in den Küstenregionen und vieles mehr. Zu dieser stetig steigenden akustischen Umweltverschmutzung kommt jetzt das LFA Sonar mit seinen explosionsartigen Schallpulsen, die sich über Tausende von Kubikkilometer Meer ausbreiten.

Kasten 1

Das Gehör der Haie

Obwohl Haie keine sichtbaren Ohren besitzen, ist ihr Gehör dennoch einer ihrer wichtigsten Sinne für die Jagd. Vor allem ihr Innenohr ist ausgezeichnet entwickelt. Wie beim Menschen hat das Innenohr der Haie zwei Funktionen, Gleichgewicht und Gehör.

Die zwei Gehörorgane liegen, in den Schädelknorpel eingebettet, unmittelbar hinter und über den Augen. Sie sind nur je durch einen endolymphatischen Gang, der in einer winzig kleinen Pore oben am Kopf endet, mit der Aussenwelt verbunden. Versuche haben gezeigt, dass Haie bis 250 m weit entfernte Geräuschquellen, die Wellen im 100 Hz Bereich aussenden, nicht nur wahrnehmen, sondern auch auf den Punkt genau orten können.

Ohr

Die beiden Gehörorgane bestehen je aus drei Bogengängen, die im rechten Winkel zueinander stehen, und so dreidimensionale Gleichgewichts- und Lageinformationen registrieren können. Die eigentlichen Schallrezeptoren liegen in einem sackförmigen Abschnitt, der mit den Bogengängen verbunden ist.

Für Meereslebewesen, die sich über Millionen Jahre an ihre Umwelt angepasst haben, bedeutet dieser massive Anstieg der Hintergrundgeräusche eine massive Beeinträchtigung ihres für das Überleben so wichtigen Ortungssinns.

Das SURTASS LFA Sonar

Das Sonarsystem besteht aus zwei Komponenten, dem Empfänger SURTASS oder „Surveillance Towed Array Sensor System (gezogenes Sensoranordnungs- Überwachungssystem) und dem eigentlichen, aktiven Sender LFA.
Es sendet, wie der Name sagt, Niederfrequenz Schallwellen im Frequenzbereich von 100 – 500 Hz mit effektiven Energien von laut Navy 215 Dezibel (dB) aus. Theoretisch werden jedoch über 235 dB erreicht. Diese Frequenzen liegen gerade in dem Bereich, in dem sich a) der Schall am weitesten ausbreitet, b) die Haie am besten hören und somit c) der grösste Schaden an ihren Gehörorganen entstehen kann.

Dezibel ist übrigens eine logarithmische Skala. Dies bedeutet, dass zum Beispiel 100 bB zehn mal lauter als 90 dB und 110 dB 100 mal lauter als 90 dB sind.

Das LFA Sonar versendet sogenannte Pings. Treffen die Schallwellen auf ein Objekt im Wasser werden sie reflektiert und vom SURTASS empfangen. Die Dauer eines solchen Pings ist nach Navy Angaben eine Minute. Die Navy plant den Einsatz von zwei Schiffen, eines im Atlantik und eines im Pazifik. Sie sollen 270 Tage pro Jahr unterwegs sein und ca. 20% dieser Zeit die hochenergetischen Pings abstrahlen. Das entspricht pro Schiff pro Jahr volle 57 Tage Beschallung der Ozeane und der marinen Lebensformen. Die Fläche, die so beschallt wird, beträgt über 36 Millionen Quadratkilometer.

Die US Navy hat laut eigenen Angaben Millionen von US Dollar in Umweltverträglichkeitsprüfungen investiert. So behauptet die Navy zum Beispiel, dass Wale von LFAS-Pings bis zu einer Energie von 180 dB nicht gestört werden. 180 dB sind 10 mal lauter als ein Raketenstart (170 dB) oder 100 mal lauter als ein Schuss (160 dB). Andere, unabhängige Untersuchungen zeigen jedoch, dass bereits 120 dB das Verhalten von Walen beeinflussen.
Die mit LFA Sonar ausgestatteten Schiffe setzen ein eigens für die Entdeckung von Walen entwickeltes Hochfrequenz-Sonarsystem mit der Bezeichnung HF/M3 ein. Es dient dazu, Wale in der Umgebung der LFA Sonar Schiffe zu orten und den LFAS Einsatz zu stoppen, sollten Wale zu nahe kommen. Das HF/M3 wurde jedoch nur im Hinblick auf die von der Navy selbst definierte 180 dB Grenze entwickelt.

Leider hat es die US Navy unterlassen, andere marine Lebensformen als Wale in ihre Untersuchungen aufzunehmen. Doch Haieund Knochenfische werden ebenfalls durch LFAS beeinträchtigt.

Am 31. Oktober 2002 wurde nach einer Meldung des NRDC (Natural Resources Defence Council) in San Franzisko der Einsatz von SURTASS LFA Sonar durch die US Marine vorerst blockiert. Richterin LaPorte entschied, dass der amerikanische Nationale Marine Fischereidienst (NMFS) der US Marine eine Bewilligung ausgestellt hat, die verschiedenen Bundesgesetzen widerspricht. Unter anderem dem „Marinen Säugerschutz Gesetz“ und dem „Gesetz für geschützte Arten“.

Doch nach dem Motto „wenn die das haben, wollen wir’s auch“, testen die NATO und die englische Royal Navy ebenfalls den Einsatz von Hochleistungs-Sonarsystemen. Der Tod von 15 Cuvier Schnabelwalen (Ziphius cavirostris) wurde zum Beispiel mit der von Spaniens Marine organisierten NATO Übung „Neo Tapon 2002“ in Zusammenhang gebracht. Vertreter der englischen Fischereiindustrie führen den Rückgang gewisser Fischbestände auf LFAS Tests der Royal Navy zurück.

Über die kumulierte Wirkung eines Einsatzes von LFAS Systemen durch die US Navy und die NATO liegen bis anhin noch keine Untersuchungen vor. Werden solche Systeme von NATO und US Navy eingesetzt, wird es wahrscheinlich nicht lange dauern, bis Russland, China und andere Staaten nachziehen.

Einfluss von LFAS auf Wale und Delphine

Schallpegel von 140 dB stören erwiesener Massen die Kommunikation bei Grosswalen. Dies hat direkten Einfluss auf ihre Fortpflanzung und Wanderungen.

Schallpegel von 120 dB vertreiben Grönlandwale (Balaena mysticetus) und Grauwale (Eschrichtius robustus).

Buckelwale (Megaptera novaeangliae) hören bei 155 dB auf zu singen.

Untersuchungen zeigen, dass bereits Schallpegel von 120 dB einen deutlichen Einfluss auf das Verhalten von verschiedenen Walarten haben.

Auf den Kanarischen Inseln strandeten Ende September 2002 15 Schnabelwale. Neun davon waren tot. Untersuchungen der toten Tiere zeigten, dass sie starke Hirnblutungen hatten. Derartige Blutungen werden durch hohe Schalldrucke, wie sie beim militärischen Einsatz von LFAS vorkommen, verursacht. Zur gleichen Zeit fand in der Region die NATO Übung „Neo Tapon 2002“ statt, bei der LFA Sonar Schiffe im Einsatz waren.

Walstrandungen, die auf sonarbedingte Hirnblutungen zurückzuführen sind, sind auch aus dem Mittelmeer bekannt.

Kasten 2

Schallpegel

170 dBRaketenstart
160 dBSturmgewehr
150 dBStart Düsenflugzeug
130 dBSchmerzschwelle (Mensch)
100 dBKettensäge
90 dBDiskothek
70 dBStrassenverkehr
50 dBBüro
20 dBSchlafzimmer
10 dBRadiostudio
0 dBuntere Hörschwelle (Mensch)

Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit verbietet an Veranstaltungen Lärmpegel über 125 dB und verlangt die Abgabe von Gehörschutzmitteln.

Einfluss von LFAS auf Haie

Im Rahmen der LFAS Studien wurden ausser Walen weder Haie noch andere Meereslebewesen untersucht. Wissenschaftliche Untersuchungen über die Einwirkungen von hohen Schallpegeln auf Knochenfische und Haie lassen jedoch den Schluss zu, dass LFAS auch diese Tiere massiv stören oder sogar verletzen kann. Schallpegel von 140-150 dB über mehrere Stunden haben bei verschiedenen Fischen zu wochenlangem Gehörverlust geführt.

Untersuchungen an Seidenhaien (Carcharhinus falciformis), Zitronenhaien (Negaprion brevirostris) und Weisspitzen Hochseehaien (C. longimanus) zeigen, dass diese Haiarten von einem plötzlich auftretenden Ton abgeschreckt werden. Der Ton lag nur 40 dB über den Hintergrundgeräuschen.

Auf unsere Anfrage bezüglich LFAS sagte Prof. Arthur Myrberg von der Universität Miami, ein ausgewiesener Spezialist auf dem Gebiet Akustik bei Fischen und Haien „Es ist klar, dass Geräuschintensitäten, die 30 bis 100 mal höher liegen als die Intensitäten, die abschrecken, sehr wahrscheinlich (den Haien; Anm. d. Red.) Schäden zuführen“. Nach Myrberg liegt der kritische Wert für Haie bei ca. 180 dB. In diesem Bereich kann angenommen werden, dass auch Langzeitschäden, vor allem im Innenohr, entstehen. Es wäre jedoch wichtig, dass der Einfluss von Lärmpegeln, wie sie durch LFAS erzeugt werden, bei Haien und auch bei Fischen wissenschaftlich untersucht würde.

Prof. Samuel Gruber, ein weltbekannter Hai-Spezialist, bestätigte ebenfalls die Gefahr für bleibende Schäden an den Gehörorganen von Haien durch Schallpegel, wie sie von LFAS erzeugt werden.

Petition des ASMS

Die Arbeitsgruppe zum Schutz der Meeressäuger Schweiz (ASMS), hat eine Petition ausgearbeitet, die die NATO auffordert, das UN-Seerechtsübereinkommen einzuhalten. Sie soll ein unabhängiges, globales Umweltgutachten (Global Environmental Assessment) über die Auswirkungen von LFA Sonarsystemen und anderen Hochleistungssonaren auf das Leben im Meer und über die kumulativen und synergistischen Wirkungen des gleichzeitigen Einsatzes dieser Technologie durch mehrere Nationen in Auftrag zu geben.

Shark Info und die Hai-Stiftung schliessen sich der unter der Organisation “European Coalition for Silent Oceans” durchgeführten Aktion mit einer eigenen Petition, die auch Haie und Knochenfische umfasst, an, denn sie wird schlussendlich auch den Haien helfen. In der Beilage, auf www.sharkinfo.ch und www.hai.ch finden Sie die Petition im PDF-Format.

Wir möchten Sie darum bitten, möglichst viele Unterschriften zu sammeln und die unterschriebene Petition bis spätestens Ende Mai 2003 an Shark Info oder die Hai-Stiftung (Blütenstrasse 4, CH-8057 Zürich) zurückzusenden.

Für Literaturangaben und weitergehende Informationen wenden Sie sich bitte an das Shark Info Büro.

* Dr. Alexander J. Godknecht ist Biologe, Präsident der Hai-Stiftung / Shark Foundation und Mitglied der Shark Info Redaktion. Er arbeitet bei den Informatikdiensten der Universität Zürich.

Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Dr. A. J. Godknecht



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modifiziert: 04.06.2016 11:48