Von Jürg Brunnschweiler
Das 17. Treffen der American Elasmobranch Society (AES) fand dieses
Jahr im Rahmen des jährlichen Treffens der American Society of
Ichthyologists and Herpetologists vom 05. bis 10. Juli, zum zweiten Male
nach 1999, in State College, Pennsylvania, USA statt. Gegen 450
Wissenschafter, mehrheitlich aus den USA, stellten ihre
Forschungsergebnisse zur Biologie von Haien, Knochenfischen, Amphibien
und Reptilien vor.
Im Verlaufe des AES Treffens fanden an vier Tagen
Sessionen und Symposien zu Themenkreisen wie Fischerei und Populationen,
Verhalten und Ökologie, Immunologie, Biochemie und Physiologie
sowie Darstellung von Haien in der Kunst statt.
Ziel solcher
Vorträge ist, Wissenschaftern anderer Institute und
Universitäten gewonnene Ergebnisse vorzustellen, aber auch, sie zu
diskutieren. Häufig werden nur am Rand Ergebnisse und Schlüsse
erläutert; vielmehr werden Methoden und Arbeitstechniken, mit denen
Resultate gesammelt wurden, präsentiert und diskutiert. Dieses
Vorgehen kann, gerade bei der Arbeit mit Haien, von grosser Bedeutung
sein. Wie sich auch dieses Jahr zeigte, ist es immer noch sehr
schwierig, Daten von Haien in ihrer natürlichen Umgebung für
wissenschaftliche Zwecke zu sammeln, und der Austausch von Ideen kann
wertvolle Hinweise auf mögliche Schwierigkeiten geben. In diesem
Zusammenhang war es wie in den vergangenen Jahren auffällig,
welchen Raum die sogenannte «Tracking»-Methode einnahm. Bei
dieser Methode werden Haie gefangen und mit Sendern verschiedenster
Bauart und Technik versehen. Diese Sender senden Signale aus, die mit
speziellen Geräten an der Wasseroberfläche, beispielsweise von
einem Boot aus, empfangen werden können. So lässt sich
verfolgen, wann, wo und wie tief ein Hai sich bewegte. Diese
Bewegungsmuster können wertvolle Hinweise darauf geben, wo sich ein
Hai im Tages- oder Jahresrhythmus aufhält und wie seine
Verhaltensmuster aussehen. Die meisten Projekte, die mit dieser Methode
durchgeführt wurden, bestachen zwar durch eine eindrückliche
Datenmenge, jedoch fehlte meist eine wissenschaftlich relevante
Schlussfolgerung. Der Wert solcher Studien bleibt fragwürdig, wenn
die gewonnen Resultate nicht in einen verhaltensökologischen
Kontext gestellt werden können.
In einigen Fällen kann diese
Methode aber tatsächlich wichtige Hinweise auf die Biologie und das
Verhalten von Haien geben. Bei Arten, die in tiefen Wasserschichten oder
in kalten Gewässern leben und so von Biologen schwer direkt zu
beobachten sind, können mit der oben dargestellten
«Tracking»-Methode wertvolle Daten gewonnen werden.
Erwähnt sei hier stellvertretend eine Studie mit
Grönlandhaien, Somniosus microcephalus. Diese Haie leben in tiefen
Wasserschichten unter dem arktischen Eis. Zu ihrem Verhalten gibt es
nahezu keine Angaben. Wissenschaftern aus den USA ist es gelungen, sechs
Grönlandhaie während 5.5 bis 31.4 Stunden mittels akustischen
Sendern zu verfolgen. Die Resultate der Untersuchung deuten darauf hin,
dass die Haie nachts aus der Tiefe in seichtere Gewässer
aufsteigen. Ein möglicher Grund für dieses Verhalten
könnte Nahrungssuche sein. Grönlandhaie ernähren sich
mindestens teilweise von marinen Säugetieren, die in diesen weniger
tiefen Wasserschichten leben.
Nur sehr wenige Wissenschafter
präsentierten Studien, bei denen Haie unter natürlichen
Bedingungen direkt beobachtet wurden. Gerade solche Untersuchungen
wären aber am wertvollsten, um dem Ziel eines umfassenden
Verständnisses der verschiedenen Aspekte des Verhaltens der Haie
näherzukommen. Wie eindrücklich und aufschlussreich solche
Beobachtungen sein können, zeigten zwei Biologen, die das
Paarungsverhalten von Ammenhaien, Ginglymostoma cirratum, um die
Florida-Keys untersuchten. Während Jahren filmten sie sich paarende
Ammenhaie. Diese repetitiven Beobachtungen ermöglichten es ihnen,
zehn Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der Fortpflanzung stehen,
zu identifizieren. Die Analyse dieser Verhaltensweisen zeigt
eindrücklich, dass Haie über ein äusserst vielseitiges
Repertoire an Verhaltensmustern verfügen. Die Tatsache, dass solche
Beobachtungen zum Fortpflanzungsverhalten in der natürlichen
Umgebung des Tieres in der Vergangenheit praktisch ausschliesslich mit
Ammenhaien gemacht wurden, verunmöglicht allerdings eine objektive
Einschätzung der genauen Bedeutung der beschriebenen
Verhaltensweisen für andere Haiarten. Eine der grossen
Herausforderungen für Haibiologen wird es sein, in Zukunft das
Paarungsverhalten anderer Arten zu beobachten und zu analysieren und mit
bereits existierenden Untersuchungen zu vergleichen.
Dieses Jahr fanden
zwei Symposien statt, die eine spezielle Erwähnung verdienen. Das
eine trug den Titel «Non-fisheries related human impact on
elasmobranchs» und befasste sich mit den durch Menschen
verursachten Einflüssen und Störungen auf Haipopulationen.
Solche Störungen sind häufig und komplex, wie an einem
Beispiel aus Südafrika gezeigt wurde. Dort wurde im Gebiet der
Aliwal Shoal, einem bekannten Tauchplatz mit zahlreichen, gut zu
beobachtenden Sandtigerhaien, Carcharias taurus, vor Jahren eine
stationäre Unterwasserkamera in der Nähe einer Höhle
aufgestellt, die von Sandtigerhaien als Aufenthaltsort benutzt wurde.
Haie sind in der Lage, schwache elektrische Felder mit speziellen
sensorischen Organen wahrzunehmen und werden höchstwahrscheinlich
von solchen Feldern angezogen. Sporttaucher, die wussten, dass sich an
dieser Stelle häufig viele Haie aufhielten, betauchten die
Höhle immer öfter, um Sandtigerhaie zu fotografieren, und es
kam zu Zwischenfällen mit diesen ansonsten harmlosen Tieren. Die
Haie wurden mehr und mehr durch Taucher gestört, bis sie
schliesslich aus dem Gebiet verschwanden. Neben dem zusätzlichen
Einfluss durch die direkte Anwesenheit von Sporttauchern wird jetzt mit
einer Studie untersucht, wie stark Haie von elektrischen
Unterwassergeräten angezogen und möglicherweise negativ
beeinflusst werden.
Weitere angesprochene potentielle Störungen
für Haipopulationen sind durch Menschen eingebrachte Giftstoffe und
Futterquellen. Während Ersteres unwidersprochen blieb und
höchstens Schwierigkeiten mit der quantitativen Erfassung solcher
Belastungen bestehen, gab die oft mit dem Tauchtourismus in Zusammenhang
stehende Fütterung von Haien Anlass zu Diskussionen. Die Sprecher
waren sich einig, dass ein extensiver Gebrauch von Futter, mit dem Ziel,
Haie anzulocken, das Verhalten der Tiere ändern kann. Andererseits
können mit dieser Methode auch wissenschaftliche Daten gewonnen
werden, und oft ist es die einzige Möglichkeit, Haie in
genügend grosser Zahl zu beobachten. Auch muss bei der Beurteilung
von Haifütterungen für Touristen der edukative Effekt der
Begegnung mit einem Hai in seiner natürlichen Umgebung auf Taucher
berücksichtigt werden. Insgesamt ergab sich ein positives Bild mit
Vorbehalten, und man war sich einig, dass Haifütterungen und die
dadurch entstehenden Auswirkungen auf das Verhalten der Tiere, in
Zukunft von der Wissenschaft genauer untersucht werden sollten.
Das
zweite Symposium trug den Titel «From icons to art: the cultural
significance of sharks and man». Diese bemerkenswerte
Vortragsreihe bot Raum für Beiträge, die sonst an solchen
Veranstaltungen selten sind. Die Biologie der Haie trat für einmal
in den Hintergrund; anstelle davon gab es Beiträge zur Bedeutung
und Darstellung von Haien bei den Alten Griechen oder über den
Ursprung des englischen Wortes Shark und des spanischen Tiburón.
Besonders erwähnenswert ist ein Vortrag, der sich mit der Symbolik
von Süsswasserhaien und Sägefischen in nordaustralischen
Aboriginalgesellschaften befasste. Auf spannende Art und Weise wurde
dargelegt, welche Rolle diese Tiere in der religiösen Symbolik
spielen und wie sie als Schöpfer verschiedenster Flusssysteme
Nordaustraliens auch heute noch verehrt werden. In diesen Gesellschaften
werden Haie und Rochen, im Gegensatz zu unserer westlichen Kultur, als
für den Erhalt und das Funktionieren des Ökosystems Meer
wichtige und schützenswerte Tiere betrachtet.
* Jürg Brunnschweiler,
Projektleiter Green Marine, Miami, FL.
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Jürg Brunnschweiler
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