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Shark Info   (15.12.1999)

Author

  Intro:

Haiunfälle

Dr. E. K. Ritter

  Hauptartikel:

Anatomie der Haiunfälle

Dr. E. K. Ritter

  Artikel 1:

Ein Hai-Forschungsprojekt der US-Regierung

Shark Info

  Artikel 2:

Haiflossenmarkt in San Francisco

Harald Gay

  Fact Sheet:

Tigerhaie

Shark Info


Fact Sheet: Tigerhai

Von Dr. Erich K. Ritter

Tigerhai

Der Tigerhai (Galeocerdo cuvier). Jungtiere haben zur Tarnung noch die typischen Streifen in der Rückenregion, die diesen Haien ihren Namen gaben.

© Doug Perrine / Hai-Stiftung

Tigerhaie (Galeocerdo cuvier) gehören zu den Grosshaiarten. Ihre Grösse ist vergleichbar mit der von Weissen Haien (Carcharodon carcharias), sie haben jedoch eine weniger massige Form. Obwohl ihnen einige Unfälle mit Menschen nachgewiesen wurden, sind sie in der breiten Bevölkerung wenig bekannt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich auch die Wissenschaft nur wenig mit dieser Art befasst. Ausser in Hawaii gibt es keine aktuellen wissenschaftliche Projekte, die sich mit Tigerhaien befassen. Dies ist erstaunlich, denn in den Bahamas ist der Tigerhai der grösste und häufigste aller Superräuber und im westlichen Nordatlantik, Golf von Mexiko und Kuba ist er die zweithäufigst gefangene Haiart (siehe hierzu auch den Bericht «Haiforschungsprojekt der US-Regierung» in dieser Ausgabe). So ranken sich, gerade bei Inselvölkern, viele Mythologien um die Tigerhaie. Sie gehören ausserdem zu den wenigen Arten, die während ihrer Wachstumsphase nicht nur die Körperform, sondern auch die Musterung ändern. Eine weitere Spezialität der Tigerhaie sind ihre erstaunlich geformten Zähne, die ihnen die Fähigkeit geben, nahezu jedes Beutetier zerlegen zu können.

Die Biologie des Tigerhais (Galeocerdo cuvier)

Äusseres Erscheinungsbild

Das äussere Erscheinungsbild der Tigerhaie ist relativ atypisch für eine Art der Grauhaie (Carcharhinidae). Ihr Körper ist länglicher und ihre Schnauze ist nicht zugespitzt, sondern auffallend flach und kantig. Tigerhaie sind die einzigen Grauhaie, die Sauglöcher (Spiraculi) besitzen. Der Name Tiger kommt von der tigerähnlichen Musterung der Jungtiere. Dieses Muster verblasst mit zunehmendem Alter und ist im Erwachsenenstadium nur noch sehr undeutlich oder gar nicht mehr erkennbar. Diese scheinbar auffällige Färbung hat wahrscheinlich eine Tarnfunktion. Die Jungtiere halten sich gewöhnlich in Ufernähe, direkt unter der Wasseroberfläche, auf. Die Schatten von Wellen zeichnen im flachen Wasser ähnliche Muster, wie die der jungen Tigerhaie.

Grösse und Alter

Tigerhaie werden in der Regel um die 5.5 m lang. Man nimmt jedoch an, dass gewisse Tiere bis über 7 m lang werden können (Fourmanoir, 1961). Ihr maximales Alter kann nur geschätzt werden, sicher werden sie aber mindestens 12 Jahre alt. Erwachsene Tigerhaie haben keine eigentlichen Feinde mehr. Ihre Grösse verhindert, dass sie von andere Haiarten gejagt werden. Lediglich die Jungtiere sind diesem Druck ausgesetzt.

Ernährung

Tigerhaie haben das breiteste Nahrungsspektrum aller Haie. Sie können von Schildkröten über Vögel bis hin zu anderen Haien und Fischen fast alles fressen. Da neben den verschiedenen Beutetieren auch viel Unrat wie Autoreifen, Nägel oder Autoschilder in ihren Mägen gefunden wurde, war diese Art lange als «Abfallfresser» verschrien und entsprechend wurde sie als primitiv bezeichnet. Doch gerade die vielfältige Nahrung und ihr einzigartiger Kauapparat lassen die Tigerhaie heute in einem anderen Licht erscheinen. Die scheinbar fehlende Spezialisierung muss als hochentwickelt betrachtet werden. Die Besonderheit der Tigerhaie ist die Verbreiterung ihres Beutespektrums und nicht die Spezialisierung auf eine bestimmt Beute. Eine Haiart, die über 5 m lang werden kann, hat einen selektiven (im Sinne ihrer Evolution) Vorteil, wenn sie sich nicht auf wenige Beutearten beschränken muss. Derart grosse Haie benötigen viel Energie und ein Rückgang einer Beuteart könnte sich für hoch spezialisierte Formen bedrohlich auswirken.

Der Kauapparat

Zähne des Tigerhais

Die typischen Zähne der Tigerhaie (Galeocerdo cuvier). Die Zahnregion, die die Säge vor dem enormen Bissdruck schützt, ist mit einem Pfeil markiert.

© Shark Info

Tigerhaie unterscheiden sich von anderen Grauhaiarten und generell den meisten Haiarten durch ihre Zähne und Kiefer. Während Haie, die schwimmende Beute jagen, in der Regel im Oberkiefer Schneidezähne und im Unterkiefer auf das Festhalten von Beute spezialisierte spitze, schlanke Zähne haben, besitzen die Tigerhaie oben und unten Zahnreihen mit je 24 fast identischen Zähnen. Die Zähne selbst haben sowohl eine Schneide- als auch eine Sägeregion. Die grosse Säge wird dabei durch den flacheren, hinteren Zahnteil vom enormen Gebissdruck von bis zu 3 Tonnen pro Quadratzentimeter geschützt (siehe Abbildung).

Ein weiterer Unterschied zu anderen Haien liegt darin, dass Tigerhaikiefer keine runde, sondern eine fast rechteckige Form haben. Die Kieferknorpel treffen sich beinahe im rechten Winkel in der Mitte der Schnauze, was den Tigerhaien ihr typisches Aussehen verleiht.

Fortpflanzung

Die Schwangerschaft dauert bei Tigerhaien zwischen 15 und 16 Monaten. Die Jungen kommen in der Regel mit einer Länge von 50 bis 70 cm zur Welt. Je nach Aufenthaltsort können die Jungtiere aber wesentlich grösser geboren werden. So liegt die Geburtsgrösse in der Region um Hawaii zum Beispiel zwischen 80 bis 90 cm. Die durchschnittliche Anzahl der Jungtiere pro Wurf liegt bei 41 (Crow, 1995), wobei das Spektrum zwischen 10 und etwa 80 Jungen liegt (Compagno, 1984). Weibchen scheinen nur alle 3 Jahre zu gebären. Es ist nicht bekannt, ob Männchen einen ähnlichen Zyklus haben. Generell wird bei den Männchen jedoch eher ein jährlicher Zyklus vermutet. Tigerhaie sind die einzigen Grauhaie, die nicht eigentlich lebendgebärend mit Plazenta (plazentale Viviparie) sind, sondern sich aplazental vivipar vermehren. Ob dies als primitiver angesehen werden muss, kann nicht beantwortet werden.

Verbreitung

Tigerhaie kommen nahezu weltweit in tropischen und gemässigten Küstenregion vor, wobei sie trübe Gewässer und Regionen, in die Flüsse münden, bevorzugen. Neben den küsten-nahen Zonen findet man sie aber auch in der Nähe von Inselgruppen, wie zum Beispiel den Marshall Inseln, Hawaii, Tahiti, oder auch Galapagos.

Verhalten

Über das Verhalten der Tigerhaie ist noch sehr wenig bekannt. Sie sind eher dämmerungs- oder nachtaktiv und zeigen in verschiedenen Regionen von der Tageszeit abhängige Bewegungsmuster. In der Regel schwimmen sie abends und nachts bis in sehr flache Regionen, tagsüber ziehen sie sich dann aber in grössere Tiefen zurück. Jungtiere scheinen tagsüber aktiver zu sein als abends und sie kommen weniger zögernd an die Wasseroberfläche. Obwohl mehrere Tiere gleichzeitig an Futterquellen auftauchen können, scheinen gerade grössere Tiere Einzelgänger zu sein.

Zusammentreffen mit Menschen

Wer nicht geübt ist, mit diesen Tieren umzugehen, sollte sie wenn immer möglich meiden. Sie sind sehr neugierig und können sehr hartnäckig reagieren, wenn Sporttaucher Fische jagen und harpunieren. Obwohl die Unfallquote mit dieser Art nicht überbewertet werden sollte, ist es doch nicht weg zu diskutieren, dass die meisten Unfälle in den Tropen Tigerhaien zugeschrieben werden müssen. Doch die Gefahr von einem Tigerhai gebissen zu werden ist, wie für alle anderen Haiunfälle auch, gering. In den hawaiianischen Gewässern, einer Region mit vielen Tigerhaien, kommt es trotz all den Surfern und Schwimmern zu weniger als 1 Unfall pro Jahr.

Mythologie

Erstaunlicherweise gaben die alten Hawaiianer dem Tigerhai und dem Weissen Hai den gleichen Namen: «Niuhi». Viele der in Hawaii vorkommenden Haiarten wurden als heilig verehrt oder als Reinkarnationen verstorbener Familienmitglieder betrachtet. Die «Niuhi» wurden jedoch eher gefürchtet als verehrt. Und dennoch hatten auch diese beiden Arten ihren Stellenwert in der lokalen Mythologie. Die Legende besagt, dass viele der Könige im historischen Hawaii ihren Weitblick für Geschehnisse durch das Verspeisen der Augen der «Niuhi» erlangten. So hätte auch die Mutter des berühmtesten Königs von Hawaii, König Kamehameha (geboren um 1753, gestorben am 8. Mai 1819), als sie mit ihm schwanger war, nach «Niuhi» Augen verlangt. So sollen die Führungsqualitäten des späteren Königs durch die «weitblickenden Augen» der Haie massgeblich beeinflusst worden sein. Doch nicht nur im Pazifik, sondern zum Beispiel auch auf den Malediven wo sie «Femunu» genannt werden, galten die Tigerhaie seit jeher als eine ganz spezielle Haiart.

Weiterführende Literatur

    Compagno, L. (1984). FAO Species Catalogue. Vol. 4. Part 2. Sharks of the world: 503-506.

    Crow. G. L. (1995). The reproductive biology of the tiger shark Galeocerdo cuvierin Hawaii: A compilation of historical and contemporary data. Abstract, AES-Meeting, Alberta, Canada.<

    Fourmanoir, P. (1961). Requins de la côte ouest de Madagascar. Mem. Inst. Sci. Madagascar (Ser. F). 4: 1-81.

    Taylor, L. (1993). Sharks of Hawai´i. Their biology and cultural significance. University of Hawaii Press.

Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Dr. Erich K. Ritter



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modifiziert: 04.06.2016 11:48