Von Dr. A. J. Godknecht, Dr. G. D. Guex
In Shark Info 3/2002 startete der Bericht über die
Haiforschungsreise in den Golf von Mexiko. Wir setzen hier den
Bericht fort. Aus aktuellem Anlass (Bericht über LFA Sonar in diesem
Shark Info) haben wir uns entschlossen, den Bericht über die Fahrt
der Oregon II in drei, statt in zwei Teilen zu bringen. Der letzte
Teil des Berichtes kommt deshalb in Shark Info 1/2003.
Melissa und Jill tauchen auf und wir beginnen mit dem Abzählen der
100 Rundhaken, auf die wir dann die ziemlich glitschigen
Makrelenviertel aufspiessen. Die Köderleinen werden dann möglichst
parallel auf einen Holztisch gelegt, damit sie schnell griffbereit
sind, wenn sie an die Longline geklinkt werden.
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Das CTD wird nach Setzen der Longline zu Wasser gelassen.
© G. D. Guex
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Heute Nacht ist Todd dran, uns beim Setzen der Longline zu helfen.
Es bestehe eine Arbeitsteilung zwischen Crew und Wissenschaftlern,
erklärt Mark. Die Crew bedient die Geräte, die Wissenschaftler
machen den Rest. Nachdem die erste Boje und das Startgewicht
draussen sind, klinkt Todd die Köderleinen alle 10 m in die langsam
abspulende Longline ein. Dann geht’s zum Bug, um das CTD für die
Messung der Wasserdaten herabzulassen. Ist das CTD wieder an Bord
und mit Süsswasser gereinigt, heisst’s warten.
Eine halbe Stunde später ist unsere erste Longline zum Einholen
bereit. Dieses Mal holen wir wieder eine Reihe von Scharfnasen und
noch zwei grössere weibliche Spinnerhaie ein. Die Spinner werden
nicht markiert sondern getötet, um genauer analysiert zu werden.
Mark hat auf jeder Reise eine Reihe von Anfragen verschiedener
Labors nach Probenmaterial. Die einen möchten Fleischproben von
Speisefischen, um sie auf Quecksilber und andere Schwermetalle hin
zu untersuchen, andere wollen Fortpflanzungsorgane für
entwicklungsbiologische Studien, wieder andere hätten gerne
Otolithen (Gehörsteine) von Groupern, um Informationen über deren
Alter und Wachstum zu erhalten und so weiter. Es gibt also immer
einiges mehr zu tun, als den Fang nur zu markieren und wieder
auszusetzen.
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Ein Scharfnasenhai (Rhizoprionodon terranovae) wird mit gerade brutal
anmutender Geschwindigkeit an Bord gezogen.
© G. D. Guex
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Nächste Station: an der Longline sind nur ein paar tote Scharfnasen;
ein trauriges Bild. Wir versuchen herauszufinden, warum der gesamte
Fang tot ist. Am Grund sind laut CTD-Daten nur 0.6 ppm (parts per
million, Teilchen pro Million) Sauerstoff. Viel zu wenig, als dass
die Scharfnasen am Haken länger als ein paar Minuten überleben
können.
Noch zwei Longlines, dann gibt es so gegen 6 Frühstück. Paul
kredenzt jeden Morgen ein Frühstück, das in der Schweiz problemlos
als reichhaltiges Mittagessen durchgehen würde. Zwischendurch sorgt
er auch immer für frische Früchte, Gatorade, IceTea und natürlich
literweise Kaffee. Bei den hier herrschenden Temperaturen muss man
auf den Flüssigkeitshaushalt achten.
Bis zum Beginn der Tagschicht setzen wir insgesamt vier Longlines
mit mässigem Erfolg, dafür wenigstens keine Toten mehr. Um 12 sind
wir fertig, recht erledigt aber jetzt haben wir frei und Zeit, der
Tagschicht mit John Carlson und seiner Girl-Group wieder über die
Schultern zu schauen.
Wir kommen kaum aus dem Bett, der zweite Tag mit knapp 3 Stunden
Schlaf. Aber wir sind ja schliesslich nicht jeden Tag auf einer
Hai-Forschungsreise. Wir übernehmen die Longline, die die Tagschicht
gesetzt hat. Die letzten drei Stationen befinden sich bereits im
Einflussbereich des Mississippi-Deltas. Es ist flach hier und auch
die Artenzusammensetzung der Fänge lässt es erkennen. An der
Longline hängen über 20 Welse und zwei Sea Eels. Wir haben jedoch
Glück. Zwischen den Welsen ziehen wir zwei Bullenhaie
(Carcharhinus leucas) ans Boot. Sie sind zwar erst knapp 1.30 m
lang, doch diese sehr massigen Haie sind bereits derart schwer, dass
wir sie nicht an Bord ziehen können. Wir schätzen die Länge,
bestimmen das Geschlecht, dann bekommen die Beiden noch einen Marker
unter die Rückenflosse und werden durch Kappen der Köderleine wieder
in die Freiheit entlassen.
Bis zur nächsten Station sind es drei Stunden Fahrt. Zeit, sich ein
bisschen auszuruhen und sich an der Biologie zu erfreuen.
Interessiert beobachten wir die springenden Fliegenden Fische im
Lichtkegel des Deckscheinwerfers oder versuchen, die
vorbeitreibenden Quallen zu bestimmen. Unsere beiden Girls
verschwinden und sehen sich irgendwelche Serien oder DVDs im
Fernsehzimmer an. Wie wir im Laufe der Reise feststellen, schien das
ihre Hauptbeschäftigung zu sein, wenn sie nicht gerade arbeiteten
oder schliefen.
Auch die nächste Station liegt im flachen Einflussbereich des
Mississippi-Delta. Nach dem Setzen der Leine und ersten Daten vom
CTD müssen wir jedoch für unseren Fang Schlimmstes befürchten, unten
gibt es wieder nur 0.6 ppm Sauerstoff. Alle Haie, die wir
hochziehen, unter ihnen zwei Spinnerhaie, sind
tot.
Dasselbe bei der nächsten Station, doch hier haben wir – besser
gesagt die Haie – Glück. Wir ziehen nur vier auf das Boot, drei Tote
und einen 1.35 m Feinzahnhai (Carcharhinus isodon), der jedoch mehr
tot als lebendig ist. Bei ihm muss es wirklich schnell gehen. Wir
vermessen ihn, verzichten auf’s Markieren und werfen ihn so schnell
als möglich zurück ins Wasser. Das letzte, das wir von ihm sehen
ist, dass er langsam davonschwimmt und nicht einfach nach unten
driftet, ein gutes Zeichen. Wir wünschen im viel Glück.
Nach 10 Stunden Schlaf sieht die Welt schon wesentlich klarer aus.
Es ist dennoch ein eigenartiges Gefühl, wenn das Erste, was man
Morgens halbwegs bewusst wahrnimmt, ein Mädchen mit einem Haikopf
in der Hand ist.
Wir sind in der Zwischenzeit bei der 14. Station angekommen. Laut
Tagschicht fangen wir kaum mehr Haie, seit dem wir das
Mississippi-Delta verlassen haben. Wir bewegen uns jetzt weiter auf
die offene See hinaus und bemerken den Unterschied an der Farbe des
Wassers und den neuen Arten an der Leine. Der Golf ist hier auch
wesentlich tiefer als in Küstennähe. Wir fangen zwei Red Snapper und
einen Gelbband Grouper. Melissa ist begeistert, denn sie arbeitet
mit diesen Groupern. Nachdem die Otolithen und ein paar Gewebeproben
entnommen wurden, landen die Fische in der Küche. Pauls
Küchengehilfe hat irgendwie einen sechsten Sinn und taucht immer
genau dann auf, wenn wir etwas kulinarisch interessantes an Bord
ziehen.
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Die Augen des Kubanischen Dornhais sind riesig und scheinen grün zu leuchten.
© G. D. Guex
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Während der ganzen Schicht fangen und markieren wir zwar insgesamt
nur sechs Haie, doch dafür spezielle Formen. Ein
Bogenstirn-Hammerhai Weibchen (Sphyrna lewini) und, an einer
besonders tiefen Stelle in 150 m zwei kleine Kubanische Dornhaie
(Squalus cubensis) mit riesigen, unter gewissem Lichteinfall grün
leuchtenden Augen. Dies liegt am Lichtverstärker (Zona pellucida)
hinter den Sehzellen. Diese so genannte Silberschicht reflektiert
das Licht, ähnlich wie bei Katzen, und es fällt in fast doppelter
Intensität auf die Sehzellen.
Der siebte Tag, der vierte auf See, war äusserst spannend und, gut
erholt, konnten wir auch das wunderbare Wetter und die ruhige See
geniessen.
Fortsetzung im nächsten Shark Info
* Alexander J. Godknecht
und Gaston D. Guex sind im Stiftungsrat der
Hai-Stiftung und der Redaktion von Shark Info.
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Dr. A. J. Godknecht, Dr. G. D. Guex
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