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Shark Info   (15.10.1999)

Author

  Intro:

Das Kreisen der Haie

Dr. E. K. Ritter

  Hauptartikel:

Das Kreisen der Haie um vermeintliche Opfer

Dr. E. K. Ritter

  Artikel 1:

Was wissen Sie über die Gehirne und Nasen der Haie?

Dr. J. F. Morrissey

  Artikel 2:

Filmkritik: Deep Blue Sea

Shark Info

  Artikel 3:

Jährlicher Haikongress in Pennsylvania

Shark Info

  Artikel 4:

IUCN: Haischutz ohne Biss

Shark Info

  Fact Sheet:

Bullenhaie

Dr. E. K. Ritter


Haischutz ohne Biss

Bericht Shark Info

Am 26. Juni 1999 fand anlässlich der Jahresversammlung der AES (American Elasmobranch Society) auch eine Sitzung der IUCN (World Conservation Union) Shark Specialist Group (SSG) statt. Während dieser Sitzung sollte der Bedrohungszustand von 71 der insgesamt mehr als 460 Haiarten diskutiert und eine bereits vorbereitete Liste der bedrohten Haiarten auf den aktuellen Stand gebracht werden. Ein Vertreter von Shark Info war an diesem Meeting in Pennsylvania, USA, anwesend.

Nur 71 Arten auf der Liste

Warum wurde der Bedrohungszustand von nur 71 Arten, das sind gerade 15% der rund 460 bekannten Haiarten, diskutiert? Ist dies auf fehlendes Detailwissen der Haispezialisten zurückzuführen, da viele der restlichen 85% der Arten selten gefangen oder untersucht werden? Oder auf mangelnde personelle und finanzielle Ressourcen, um das fehlende Wissen zu erarbeiten?

Die Mitarbeiter der einzelnen Arbeitsgruppen, die die Liste erarbeiten, stellen ihre Zeit und Arbeit kostenlos zur Verfügung. Es ist also nicht erstaunlich, dass in einigen Bereichen Datenmaterial ganz fehlt oder das vorhandene Material nicht immer vielschichtig und detailliert genug ist. So ist selbst ein von der IUCN definierter Grad der Gefährdung mit gewisser Zurückhaltung zu betrachten.

Ganz allgemein wird der Fischerei ein höherer Stellenwert beigemessen als der Biologie. Ist keine Abnahme der Art in der Fischerei feststellbar, wird sie bezüglich Bedrohung niedriger eingestuft als wenn eine solche Abnahme bemerkbar ist. Eine derartige, jedoch nur scheinbar logische Begründung, ist zwar nachvollziehbar, doch sollte sie nur als Tendenz herangezogen werden, wenn es um Haie geht. Haifänge werden nicht in Individuen pro Netzzug, sondern wie Ware in Tonnagen statistisch erfasst. Dass dies zu falschen Schlüssen führen kann, und oft auch tut, ist naheliegend, denn die altersmässige Zusammensetzung bleibt unberücksichtigt. So können beispielsweise 10 Junghaie genausoviel wiegen, wie 5 ausgewachsene (siehe auch SI 2 / 99 «Requiem für die Schillerlocke»).

Probleme der Kriterien für den Bedrohungszustand bei Haien

1994 verabschiedete die IUCN eine Liste von Kriterien, nach der alle Arten bezüglich ihrer Gefährdung eingestuft werden sollten. Insgesamt handelt es sich um fünf Kategorien (A-E), die in 3 Gruppen unterteilt werden:

  • kritisch bedroht (critically endangered)

  • bedroht (endangered)

  • gefährdet (vulnerable)

Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei nach der Veränderung der Populationsgrössen und der Verbreitungsgebiete der Arten. Doch gerade für Haie stellt sich hier das Problem, dass bei keiner Art eine effektive Populationsgrösse bekannt ist und auch das Verbreitungsgebiet nur bei sehr wenigen Arten mit einer gewissen Genauigkeit festgelegt werden kann. Entsprechend haben derart standardisierte Kriterien zumindest für Haie nur eine äusserst beschränkte Aussagekraft.

Es stellt sich die Frage, warum für Haie, die immerhin als häufigste Topräuber einen entscheidenden Regulationsfaktor für das Oekosystem der Meere darstellen, keine spezifischeren Kriterien existieren, beziehungsweise ausgearbeitet werden können. Zudem gibt es kaum eine andere Tiergruppe, die derart unterschiedliche Lebensgewohnheiten, Verbreitungsgebiete und Fortpflanzungsstrategien hat, wie die Haie. Für die verschiedenen Haiarten müssten, neben Populationsgrösse und Verbreitung, zusätzliche Faktoren wie das Alter beim Erreichen der Geschlechtsreife, die Anzahl Nachkommen und die Bindung an Geburtsstätten, um nur einige zu nennen, für den Bedrohungsgrad mitberücksichtigt werden. Nur so kann verhindert werden, dass die eine oder andere Haiart aufgrund unzulänglicher Informationen einen unbedenklichen Status erhält und in den nächsten Jahren an den Rand des Aussterbens gebracht oder gar ausgerottet wird.

Ein solcher Aufwand scheint gering im Hinblick darauf, dass wir es hier mit einigen Haiarten zu tun haben, die unserer uneingeschränkten Aufmerksamkeit bedürfen - denn Aussterben ist für immer.

Die 71 Arten

Beim IUCN Treffen erhielten vier der 71 gefährdeten Haiarten den Status bedroht (endangered), es sind dies: Gangeshai (Glyphis gangeticus), Speerspitzenhai (Glyphis glyphis), Weissflossen-Glatthai (Hemitriakis leucoperiptera) und der Borneohai (Carcharhinus borneensis). Neun weitere Arten, unter ihnen der Weisse Hai (Carcharodon carcharias) erhielten den Status gefährdet (vulnerable) und alle anderen diskutierten Arten wurden als nicht wirklich bedroht angesehen und erhielten den Status geringes Risiko (lower risk) oder ungenügende Daten (data deficient).

Erstaunlich ist, dass verschiedene Arten wie Heringshai (Lamna nasus), Spinnerhai (Carcharhinus brevipinna), Schwarzspitzenhai (C. limbatus), Düsterer Hai (C. obscurus), Sandbankhai (C. plumbeus), Glatthai (Galeorhinus galeus), Flachnasen-Sechskiemenhai (Hexanchus griseus) oder der Riesenhai (Cetorhinus maximus) zwei unterschiedlichen Kategorien zugeordnet wurden, abhängig von der geografischen Verbreitung. Auch wenn die Argumentation, dass es nur in gewissen Regionen zu Abnahmen der Bestände aufgrund der Fischerei kam, nachvollziehbar ist, so handelt es sich doch um ein und dieselbe Art mit ihrem artspezifischen Verbreitungsgebiet. Folglich müsste der Art ein eindeutiger Status zugeschrieben werden- im Zweifelsfall sollte dies immer der kritischere sein.

Nicht alle bedrohten Arten werden auch erfasst

Viele Haiarten treten zu selten auf, um in einer Statistik zu erscheinen. Entsprechend werden auch in der «71er» Liste nur diejenigen Haiarten genannt, die entweder einen Rückgang in den Fischereistatistiken zeigen, die, wie der Riesenmaulhai (Megachasma pelagios), gerade erst entdeckt wurden, oder aber, wie der Gangeshai (Glyphis gangeticus), bekanntermassen sehr selten sind. Viele Arten fallen so durch die Maschen der IUCN.

Als die IUCN damit begann, den Bedrohungsgrad der Haie zu quantifizieren erhielten Mitarbeiter von Shark Info den Aufruf, jede Art zu beschreiben, bei der ein Verdacht auf Verminderung der Bestände bestehen könnte. Das Problem liegt hier in der Fragestellung selbst. Denn gerade von sehr seltenen Arten ist fast nichts bekannt, ausser dass es sie gibt. Doch gerade diese seltenen Arten, die fast nie in Fangstatistiken auftauchen, sind durch die fehlenden Verbreitungs- und Populationsdaten nicht als gefährdet eingestuft, Status ungenügende Daten (data deficient).

Zumindest für Haie müssen die IUCN-Kriterien so umschrieben und angepasst werden, dass auch den seltenen Arten ein sofortiger Schutz garantiert werden kann. Die Umsetzung des Schutzes ist dann allerdings ein weiteres Problem. Denn wenig bekannte Haie sind für Fischer nicht leicht zu bestimmen. Nur hohe Strafen könnten sie dazu veranlassen, prinzipiell jeden unbekannten Hai wieder zurück ins Meer zu werfen.

Keine schnelle Reaktion möglich

Wie bereits in der letzten Ausgabe von Shark Info beschrieben, betrachtet es die FAO (Food and Agriculture Organisation) als unumgänglich, einen weltweiten Bewirtschaftungs- und Beobachtungsplan für Haie ins Leben zu rufen. Leider fehlt jedoch bis anhin die Möglichkeit eines sofortigen Interimsschutzes für gewisse Arten. Bei einem begründeten Verdacht auf eine mögliche Gefährdung einer Art müssen Wege gefunden werden, diese Art unbürokratisch und innert kürzester Frist zu schützen, ohne Jahre mit bürokratischen Formalitäten zu vergeuden.

Die IUCN

Die IUCN oder «International Union for the Conservation of Nature» wurde am 5. Oktober 1948 in Fountainbleau, Frankreich, damals noch unter dem Namen «International Union for the Protection of Nature» (IUPN) gegründet, später jedoch zu IUCN umbenannt. Heute wird sie einfach «World Conservation Union» genannt. Sie ist die weltweit grösste Naturschutzorganisation und umfasst über 900 staatliche und nichtstaatliche Verbände aus mehr als 138 Ländern. Mehr als 8000 Wissenschaftler und andere Fachpersonen arbeiten auf freiwilliger Basis für die IUCN. Die IUCN hat ihren Hauptsitz in Gland, Schweiz, unterhält aber 42 Geschäftssitze rund um die Welt mit rund 900 Angestellten und einem jährlichen Budget von über 50 Millionen Dollar. Als Vereinigung verschiedener Organisationen ist es der IUCN möglich, sowohl global als auch auf kommunaler Ebene aktiv zu sein. Die IUCN umfasst verschiedene, spezialisierte Arbeitsgruppen, wobei die SSG, die Shark Specialist Group, eine davon darstellt.

Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info



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modifiziert: 04.06.2016 11:48