Von Harald Gay
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Ein toter Heringshai (Lamna nasus).
© Innerspace Visions / Hai-Stiftung
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Dass am 26. Juni 2001 ein Schwarm von fast 500 Heringshaien (Lamna
nasus) dänischen Fischern in der Nordsee in die Netze ging, war
eine Sensation für die Wissenschaft und natürlich auch
für die Tagespresse. Während sich Wissenschaftler jedoch
darüber freuten, dass die in nordeuropäischen Gewässern
als fast ausgerottet geltenden Heringshaie endlich wieder in der Region
auftauchen, machte die Presse auf Panik.
Im Kielwasser des Medienrummels
um die sich überstürzenden Meldungen von Haiunfällen in
Florida war - meines Erachtens - die eigentliche Frage der Reporter an
die Wissenschaftler: "Sind die Strände der Nordseebäder durch
die «Haiflut» in Gefahr?"
Einem «Sechser im Lotto gleich»
kommentierte ein Meeresbiologe und Wissenschaftler des
Bundesforschungsamtes für Fischerei in Hamburg auf Anfrage der
Reporter den Fang der dänischen Fischer, 250 Seemeilen vor der
Küste Jütlands. Auf Anfrage von Shark Info teilte der
Wissenschafter jedoch mit, dass er aus dem Kontext zitiert wurde und er
lediglich auf die Wahrscheinlichkeit eines solchen Fangs hinwies und
nicht das Glück der Fischer unterstreichen wollte.
Doch die wahre
Brisanz dieser Meldung ging aus den Schlagzeilen nicht hervor. Der
Heringshai (Lamna nasus) ist seit Mitte der 70er Jahre, als die
norwegische Fischereiflotte zum grossen Fang auf den Heringshai "blies"
und damit die Population an den Rand der Ausrottung brachte, ein selten
gewordener Besucher der Nordsee und des Nordatlantiks. So war es auch
laut der Pressemitteilung ein Zufall, dass die dänischen Fischer
auf einen grossen Schwarm dieser Haie trafen. Die Fischer nutzten die
Gelegenheit und fielen, wie in einem Goldrausch, über den Schwarm
her und massakrierten fast 500 Heringshaie. Ein trauriger
Willkommensgruss.
Nicht geklärt ist der Umstand, ob die Haie
illegal mit Netzen gefischt wurden, was die hohe Zahl der gefangenen
Tiere erklären würde. Nur mit Langleinen dürfen
Heringshaie gefischt werden, das ist geltendes EU-Recht und verbindlich
für alle europäischen Fischereinationen. Auf Anfrage beim
Königlichen Dänischen Fischereiamt wurde lediglich mitgeteilt,
dass die Langleinen-Fischerei in Dänemark auf Grund der geringen
Fangergebnisse unüblich wäre, aber keinerlei Daten über
den Fang beziehungsweise die Fangmethoden erhoben würden. Einzig
die Resultate der Auktionen und die damit verbundenen Mengenangaben
würden verfolgt und in einer Datenbank festgehalten.
Dass die durch
die EU festgelegten Fangquoten für Heringshaie nicht realistisch
sind, liegt auch an der Tatsache, das auf Grund der unklaren Rechtslage
eine genauere Untersuchung der Hai Populationen in europäischen
Meeresgewässern nicht möglich war.
Ein Aktivist von Greenpeace
und ein Meeresbiologe der Schutzstation Wattenmeer kommentierten dieses
Ereignis sehr kritisch. Ihr Vergleich war aus meiner Sicht sehr passend:
"Inhaltlich ist das so, als wären in der Serengeti 500 Löwen
niedergemacht worden" - mit dem Unterschied, dass hier ein Sturm der
Empörung stattgefunden hätte und Spendenaktionen zum
verbesserten Schutz dieser Tiere ins Leben gerufen worden wären.
Der Begriff «sinnvolle Nutzung der Meeresressourcen» wird in
diesem Zusammenhang für mich zu einer Farce, die lediglich dazu
dient, dem Raubbau weiter Vorschub zu leisten. Es ist, als ob wir die
Kerbe an dem Ast, auf dem wir sitzen, wieder einmal ein Stück
tiefer geschlagen hätten. Es öffnet mir auf ein Neues die
Augen, dass die Probleme des Artenschutzes nicht fernab unser Heimat
liegen, sondern schon direkt vor unserer Haustür beginnen.
* Harald Gay ist
Korrespondent für Shark Info in Deutschland.
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Harald Gay
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