Bericht Shark Info
|
Foto: Finning
© Shark Info / Chris Schwitz
|
Alles begann damit, als die beiden amerikanischen Wissenschaftler(innen)
Anne Lee und Robert Langer 1983 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entdeckten,
dass Knorpel-Extrakte von Kälbern und Haien unter gewissen Umständen das
Wachstum von neuen Blutkapillaren verhindern. Grössere Tumore
können nur mit einem neuen Netzwerk
von Blutgefässen entstehen, die Gefässneubildung wird in der Medizin als Angiogenese
bezeichnet.
Die sogenannte Anti-Angiogenesis - die Verhinderung der Gefässneubildung - beobachteten
die beiden ForscherInnen im In-vitro- und im Tierversuch. Bei Ratten und Mäusen vermehrten
sich bestimmte Arten von eingepflanzten Tumorzellen nur sehr gering,
wenn bei den Krebszellen gleichzeitig ein Haiknorpel-Extrakt in einer durchlässigen Kapsel
eingepflanzt wurde. Der Extrakt hatte jedoch keine direkte Hemm- oder abtötende Wirkung
auf die Tumorzellen.
Die Entdeckung am MIT rief in der Person des Amerikaners Dr. William I. Lane bald
einmal einen geschäftstüchtigen Heilversprecher auf den Plan.
Der Doktor in landwirtschaftlicher
Biochemie und Ernährung war Präsident der amerikanischen «Fishmeal
Trade Association» und Regierungsbeauftragter des damaligen US-Präsidenten Reagan
in Guinea zur Abklärung von Investitionsmöglichkeiten in der Fischindustrie. Ende
der 70er Jahre, vor dem Auftauchen der Knorpeltheorien, war er
vorrangig daran interessiert, Haifang im industriellen Rahmen zu entwickeln.
Lane schrieb 1992 das Buch «Sharks don't get cancer», das 1994 in der deutschen
Übersetzung unter dem Titel «Warum Haie gegen Krebs immun sind» im Ullstein
Verlag erschien. Angesichts der Tatsache, dass derzeit weltweit jedes Jahr mehr als
vier Millionen Menschen an Krebs sterben und jährlich sechs Millionen neue Fälle
registriert werden, kann man sich leicht vorstellen, dass ein wirksames Krebs-Heilmittel
ein Milliardengeschäft verspricht. Dass sich jedoch bis heute kein
einziges der finanzkräftigen, weltweit tätigen Pharma-Unternehmen engagierte,
hat seine guten Gründe.
Bis jetzt ist nämlich entgegen den Behauptungen von Haiknorpelpulver-Vertreibern
und -Herstellern nicht bekannt, welche Substanz oder Substanzkombination im
Haiknorpel-Extrakt für die Hemmung der Gefässbildung
verantwortlich ist. Deshalb ist bis heute
auch keine künstliche Herstellung des Wirkstoffes möglich. Und vor allem gibt es
keine klinischen Studien, die eine Wirksamkeit des Haiknorpel-Pulvers belegen. Das
«National Cancer Institute», das amerikanische Krebsforschungs-Zentrum, schreibt
dazu: «Haiknorpel gegen Krebs ist ein Witz.» Ähnlich reagieren europäische
Fachleute. So sagt Dr. Simon P. Hauser, Präsident der international tätigen «Study
Group on Unproven Methods in Oncology» (Studiengruppe über Methoden mit unbewiesener
Wirkung in der Onkologie) der Schweizerischen Krebsliga: «Beim Lesen des Buches
von Lane scheint es, dass seine Geschäftsverbindungen und seine geschäftlichen Ziele
die Motivation für das Werk waren und nicht wissenschaftliche Fakten. Es werden geschickt
wissenschaftliche Basisdaten zur Angiogenese bei Tumorgeschehen zitiert, die in
angesehenen Zeitschriften erschienen sind.» Hauser weist darauf hin, dass sich
die Ergebnisse der zitierten In-vitro- und der erwähnten Tierversuche nicht einfach
auf den Menschen übertragen liessen: «Einzig klinische Versuche könnten Klarheit
bringen.» Die aber existieren nicht. Das bestätigt auch das
Deutsche Krebsforschungszentrum: «Eine tumorspezifische Wirkung von Haiknorpel
und deren Präparate ist
nach unserem derzeitigen Kenntnisstand nicht bekannt.» Dr. Gerd Büschel von der
«Arbeitsgruppe Biologische Krebstherapie»
am Institut für Medizinische Onkologie in Nürnberg
sagt: «Was behauptet wird und was wirklich nachgewiesen ist, klafft
weit auseinander. Es handelt sich hier einfach um überzogene Interpretationen.»
Das «National Cancer Institute» bewertet die Publikationen von Lane als nicht
neutral, da er selber Inhaber einer der grössten Haipräparate-Firmen sei. Lane zitiert
in seinem Buch Einzelfälle als «Beweise». So soll ein Studie in Kuba gezeigt
haben, dass nach der Einnahme von Haiknorpel von 29 Krebspatienten drei Personen
Verbesserungen zeigten; in New Jersey sollen es vier von zwanzig Personen gewesen sein.
Das «National Cancer Institute» hat diese Studien überprüft und konnte die
Ergebnisse nicht nachvollziehen. Dazu Simon P. Hauser: «Die von Lane und dem
Chirurgen J.F. Prudden beschriebenen Krankheitsverläufe sind nicht ausreichend dokumentiert,
dass daraus auf eine Heilung durch den Haiknorpel-Extrakt geschlossen werden kann.»
Die Propagierung von Haiknorpel-Pulver gegen Krebs, Knochen- und andere -krankheiten
wird heute von vielen führenden Wissenschaftern, aber auch von Behörden verurteilt.
Die «Heilsgeschichte» des Haiknorpels wird seit ihrer Existenz von Lügen
und Halbwahrheiten begleitet. So suggeriert der Titel des Buches von William I. Lane («Warum
Haie gegen Krebs immun sind») ein Wundermittel gegen Tumore. Die simple Kurzschluss-Logik
ist: Haie bekommen keinen Krebs - also verzehre man Hai und
ist vor Krebs gefeit. Tatsache ist, dass auch Haie Krebs bekommen. Belegt wird dies von John
C. Harshberger, Direktor der «Registry of tumors in lower animals» der Smithonian
Institution in Washington D.C. In diesem Register sind mehrere Dutzend
Reporte über Krebs bei Haien dokumentiert.
In seinem Buch schwärmt Lane von der Wirksamkeit des Haiknorpels nicht nur gegen Krebs,
sondern auch gegen alle möglichen Leiden: Psoriasis (Schuppenflechte), diabetische
Retinopathie (Augenveränderungen als Folge der Zuckerkrankheit), neovaskuläres
Glaukom (erhöhter Augeninnendruck), Enteritis (entzündliche Veränderung der Darmwand),
Arthritis undsofort.
Als Dosierung empfiehlt Lane einem Erwachsenen mit Durchschnittsgewicht, täglich um
die 80 Gramm Haiknorpel-Pulver oral einzunehmen. Allerdings bemerkt Lane, die beste
Wirkung erziele man bei einer analen Verabreichung. Er spricht von jeweils zwanzig
Gramm in anderthalb Liter Wasser aufgelöstem Pulver, das täglich während 25 Minuten mit
einem Schlauch eingeführt werde. Anal oder oral verabreicht: eine gesicherte Wirkung
ist bis heute unbewiesen. Gänzlich unnütz ist die orale Einnahme.
Dazu der Biochemiker Dr. Carl Luer, der am Mote Marine Lab in Sarasota (Florida/USA) seit fünfzehn
Jahren in der Knorpelforschung arbeitet: «Bei oral verabreichtem Haiknorpel werden
die Wirksubstanzen durch die Verdauung zerstört
und Haipulver hat so keinerlei Wirkung.» Doch selbst wenn die Wirksubstanz
durch die Magensäuren nicht zerstört würde,
wäre eine Wirkung mehr als fragwürdig. Denn leider, so Luer, gebe es keinen logischen
Grund anzunehmen, dass oral eingenommenes Haipulver den Tumor eines Krebspatienten
finden und die Neubildung von Blutgefässen stoppen würde. Luer weiter: «Haiknorpel
enthält nichts, was nicht auch in anderem tierischem Knorpel gefunden werden kann.
Doch da Haie nahezu vollständig aus Knorpel bestehen, bieten sie sich als Quelle
für dieses Pulver an.»
Carl Luer leugnet eine mögliche heilende Wirkung des Pulvers nicht prinzipiell. Er
weist darauf hin, dass es zur Gewinnung der noch undefinierten Wirksubstanz eine
«sehr grosse Menge» an rohem Knorpel brauche, der erst noch einer wochenlangen
chemischen Prozedur unterworfen werden müsse, um diese Stoffe zu extrahieren. Erst dann
und mit direkter Injektion
an den Ort der Blutgefässneubildung könne bei im Verband wachsenden Tumoren unter
experimentellen Bedingungen eine Neubildung der Gefässkapillaren gebremst werden.
Derzeit läuft in New Jersey (USA) unter der Leitung des Onkologen Charles Simone,
unterstützt vom «Office of Alternative Medicine» OAM und mit Genehmigung
der «Food and Drug Administration» FDA ein Forschungsprojekt. Abgeklärt werden
soll damit die Wirksamkeit von Haiknorpel-Extrakt und ob er als Medikament zugelassen werden
soll. Frühere Daten, so Simone, hätten gezeigt, dass in 34% aller
Krebsfälle Verbesserungen
gefunden worden seien. Jedoch sei es unklar, ob die positiven
Resultat auf das Konto des Haipulvers oder auf die gleichzeitig verschriebene Diät gingen. Die
FDA, die amerikanische Zulassungsbehörde für Medikamente, erlaubt die Anpreisung
von Haiknorpel lediglich als Zusatznahrung, nicht aber als Medikament.
Sie heissen «Cartilade», «Haifit», «Haitin» oder «Hai-Acord».
Allein in den USA sind unter Bezeichnungen wie «Country Life», «Now»
oder «Puritan's Pride» gegen zwanzig Präparate auf dem Markt, die ganz
oder teilweise aus Haiknorpelpulver bestehen. In Deutschland und in der Schweiz
ist das Produkt «Haifit» das verbreitetste und wird im Prospekt als «biologische
Spezialnahrung» angepriesen. Als Herstellerin bezeichnet sich die «Medisana
Pharma» in Starnberg am See (Deutschland). In der Schweiz wird «Haifit»
von «Ottikur-Meditech» in Mellikon AG verkauft. Laut Geschäftsführer Theodor
Ott verkauft er in der Schweiz jährlich um die 4000 Kurpackungen. Die Preise
dafür sind enorm: Ottikur verlangt für eine Kur zu 360 Gramm, verteilt auf dreissig Beutel,
150 Schweizer Franken.
Der Begleitprospekt verspricht «Hilfe für strapazierte Muskeln, Knochen und Gelenke».
Wer «Haifit» zu sich nehme, werde versorgt mit «ganz speziellen Nährstoffen
... Hyaluronsäure, Aminosäuren ...». Das Knorpelpulver enthalte
«alle Nähr- und Schutzstoffe für Knochen und Gelenke ...» Diese Anpreisungen sind
laut der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel IKS (Schweizer Zulassungsbehörde
für Medikamente) gesetzeswidrig. Dazu deren Sprecher Jean-Christophe
Méroz: «Diese Heilmittelanpreisungen sind unzulässig. Die
IKS wird die entsprechenden Schritte
gegen diese Firma einleiten.» Der Umstand, dass zum Beispiel Ottikur in Mellikon
auch das Buch von Lane verkauft, das Haiknorpel gegen Krebs propagiert, stellt in
einigen Ländern - darunter der Schweiz - einen Verstoss gegen gesetzliche Bestimmungen
dar. Denn mit dem Buch wird der Eindruck erweckt, man könne bei Ottikur und Medisana
mit «Haifit» ein Heilmittel gegen Krebs kaufen. Ein solches wäre aber laut
IKS eine «registrierungspflichtige pharmazeutische Spezialität». Auf Verlangen
der IKS muss «Ottikur-Meditech» nun eine Dokumentation erarbeiten, in der
u.a. die Wirksamkeit von «Haifit» nachgewiesen werden müsste.
Laut dem aktuellen Stand der Forschung wird dieser Nachweis nicht möglich sein. Es ist weder eine
abgesicherte Wirkung gegen Krebs, noch eine Wirkung gegen andere Krankheiten wie
Arthritis oder Muskel- und Augenkrankheiten nachgewiesen. - Und bei oraler Einnahme,
wie von «Ottikur-Meditech» und «Medisana Pharma» empfohlen, schon gar nicht.
Zwar beteuert sowohl Medisana-Geschäftsführer Gerd Rudolfi wie auch sein Vertreter
in der Schweiz, Theodor Ott von Ottikur: «Wir preisen Haifit nicht als Heilmittel
an, sondern nur als Nahrungsergänzung.» Doch Aussagen wie diese können nicht
einfach geschluckt werden. Das bestätigt ein Statement von Theodor Ott: «Wir empfehlen
bei starken Beschwerden wie etwa bei Arthrose oder bei grossen Schmerzen in Knien
oder Hüften während zehn Tagen zwei bis drei Beutel zu nehmen. Dann setzt die Wirkung
schneller ein.» Gerd Rudolfi ist mit seinen Äusserungen etwas vorsichtiger und
verweist auf «Studien in den USA, wo Haiknorpel gegen Krebs eingesetzt worden
ist.» Auch André Lorang, Inhaber der Firma Naturopan AG in Zug (Schweiz), die
das Haiknorpelprodukt «Cartilade» auch für Deutschland und Österreich importiert,
sagt, man müsse mit Heilanpreisungen vorsichtig sein und verweist auf «viele
Studien». Sein Vertreter, Kurt Arnet jedoch verrät: «Im ganzen rheumatischen
Formenkreis hat man mit Cartilade gute Erfolge.» Dass in Haiknorpel-Kreisen trotz gegenteiliger
Aussage stets wieder auf eine angeblich heilende Wirkung des Pulvers hingewiesen
wird, dokumentiert auch die Information von Theodor Ott über
einen Arzt in Würenlos (Kanton Aargau, Schweiz), der das Pulver «seit
Jahren in seiner Praxis braucht.»
Nach gängiger Rechtspraxis müssen solche und ähnliche Aussagen klar als Verstoss
gegen das Gesetz gewertet werden. Schon fast
amüsant mutet diese Behauptung von Theodor Ott
an: «Jetzt läuft bei der IKS auch das Zulassungsverfahren für Haifit
als Heilmittel.» Jean-Christophe Méroz von der Interkantonalen Kontrollstelle
für Heilmittel IKS: «Davon wissen wir nichts.»
Medienschaffenden, die solche Machenschaften aufspüren und Haiknorpel-Vertreiber etwa
unzulässiger Heilsversprechungen bezichtigen, werden von Gerd Rudolfi lautstark mit
Drohungen überhäuft: Er habe in Deutschland «eine ganze Prozesslawine»
ausgelöst, unter anderem gegen den Fernsehjournalisten Günter Jauch, der «Haifit»
u.a. als «Pseudo-Arzneimittel» bezeichnet habe.
Ottikur und Medisana warten mit an den Haaren herbeigezogenen Dosierungsvorschriften
auf. Verkauft wird eine 30-Tage-Kur. Die 360 Gramm «Haifit»-sollen in täglichen
Portionen von 12 Gramm eingenommen werden - oral. Wie lange eine «Kur» dauern und wie
häufig sie wiederholt werden soll, darüber schweigen sich die Anbieter
aus. Der amerikanische Chirurg J.F. Prudden behandelte seine Patienten über Monate
bis Jahre. Die beschriebenen behaupteten Heilerfolge konnten auch dann nicht nachvollzogen
werden. Zwar reitet die Haiknorpel-Industrie auf der Welle von William Lane's Behauptungen,
sie operiert jedoch mit Dosierungen, die um das Siebenfache unter seinen Empfehlungen
liegen. Im Klartext: sowohl Dosierungsangaben wie Heilversprechungen sind pure Scharlatanerie.
Gerd Büschel von der «Arbeitsgruppe Biologische Krebstherapie» weist auf ein
Phänomen und auf Gefahren hin: «Man weiss, dass es in diesem Bereich einen Placeboeffekt
von bis zu achtzig Prozent gibt. Wenn man jemandem, der in einer verzweifelten Situation steckt,
hoffnungsvoll eine Massnahme darstellt und ihn 14 Tage später
fragt, wie es ihm gehe, wird er mit grösster Wahrscheinlichkeit sagen: es geht besser.
Wenn das Mittel überdies noch relativ teuer ist und er es selber bezahlen muss, wird
es nochmals schwieriger zu sagen, das ist alles Mist. Ausserdem: Die Hauptnebenwirkung
von vielen unkonventionellen Mitteln wie dem Haiknorpel-Extrakt, ist, dass viele
Patienten manche andere wichtigen Massnahmen versäumen.»
Gerd Rudolfi von «Medisana Pharma» in Starnberg sagt es unüberhörbar laut:
«Es ist einfach lächerlich, uns als Abschlachter von Haien zu bezeichnen! Wegen
uns wird kein einziger Haifisch gefangen!» Die gleiche Botschaft verbreiten Theodor
Ott und seine Frau. Sie liefern ihren Kunden einen Zeitschriftenartikel von Florentine
Andreas, der mit dem Satz beginnt: «Tierfreunden und Tierschützern sei's gleich
zu Anfang gesagt: Kein einziger Hai muss eigens dafür sterben.» Noch weiter geht
«Cartilade»-Importeur André Lorang: «Unser heiliges Versprechen an jeden,
der Knorpel nimmt, ist, dass wir nicht auf die Jagd nach Haifischen gehen. Hier geht
es um die Ethik unserer Firma.»
Leider leistet sich hier die Branche einen Meineid. Zur Herstellung von «Haifit»
werde lediglich Beifang verwendet. Das stimmt nicht. Laut Johel Jimenez vom «Tropical
Conservation News Bureau» werden zum Beispiel in Costa Rica Haie gezielt wegen des
Knorpels gefangen. Dies entgegen der Versicherung von «Cartilade»-Vertreiber
André Lorang, der sich nach eigener Aussage in Costa Rica habe bestätigen lassen,
dass seinetwegen keine Haie getötet würden. Denn «Cartilade» stammt laut
André Lorang ausschliesslich aus Costa Rica und «manchmal auch aus Panama
oder Nicaragua oder Taiwan».
Woher der Knorpel stammt, der laut Gerd Rudolfi in München zum «Haifit» verarbeitet
wird, will der Medisana-Geschäftsführer nicht sagen. Er gibt als Quelle Spanien und
Portugal an. Überprüfbar, ob seine Beteuerung stimmt, dass dort die Haie
nicht speziell fürs Pulver gefangen werden, ist seine Aussage deshalb nicht. André Lorang
vermutet, dass die Knorpel seines Starnberger Konkurrenten gar nicht aus der Umgebung
der Iberischen Halbinsel kommen, sondern aus Neuseeland. Die Insel am andern Ende
der Welt gehört laut den Vertreibern zusammen mit Japan zu einem weiteren wichtigen
Knorpellieferanten.
Dass der Haiknorpel von Tieren aus dem Beifang stamme, dieses Argument hat einen heuchlerischen
Aspekt. Eigentlich müsste es heissen: die Haiknorpelindustrie profitiert hier vom
Töten anderer. Laut FAO (Landwirtschafts- und Ernährungs-Organisation der UNO)
wird jedes Jahr die ungeheure Zahl von 1,3 Millionen Tonnen Haie gefangen. Beinahe
die Hälfte davon ist Beifang - vor allem aus der Thunfischerei. Beifang ist es, der
auch in die Haiknorpelfabrikaion wandert. Solange es einen Markt dafür gibt, so
lange wird sich die Fischerei-Industrie kaum Mühe geben, Methoden zu entwickeln, die diese
Verschwendung von Leben und Lebewesen verkleinern oder gar verhindern. Haiknorpel-Hersteller
müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, Beihilfe zum grossen
Töten zu leisten und dieses Töten mit einem nutzlosem Produkt zu rechtfertigen.
Die «Shark Technology of Costa Rica» in Puntareanas, weltweit eine der wichtigsten
Lieferantinnen von Haiknorpel, verarbeitet laut eigenen Angaben jeden Tag über 200
Haie. Die Zahl stammt aus dem Jahre 1994; aktuelle Informationen fehlen. So ist davon auszugehen,
dass es in der Zwischenzeit weit mehr Haie sind.
Dabei werden sämtliche Teile des Tieres verwendet. Doris Hax von der «Gesellschaft
zum Schutz der Haie» hat beobachtet, dass auch sackweise abgeschnittene Flossen
zur Verarbeitung angeliefert werden. Dies deutet daraufhin, dass für die
Haiknorpelherstellung auch «Finning» betrieben wird. Buchautor Lane sagt, dass die beste
Wirkung aus dem Knorpel der Flossen erzielt werden könne. Beim «Finning»
schneiden die Fischer den Haien die Flossen bei lebendigem Leib weg.
In der Verarbeitung kommen die Knorpel in ein Chlorbad, um sie vom Fleisch zu befreien.
Laut Luis Mena, Direktor des Unternehmens, braucht es zur Herstellung von 7000 Kilogramm
getrocknetem Knorpel etwa 350 ,000 Kilo Hai, was fast 6000 Tieren entspricht. Ein Grossteil der
verarbeiteten Haie ist laut Johel Jimenez vom «Tropical Conservation
News Bureau» noch nicht geschlechtsreif. Diese Tatsache birgt die Gefahr einer
ökologischen Katastrophe mit unabsehbaren Folgen in sich: Haie stehen als Super-Räuber
zuoberst an marinen Nahrungsketten und spielen deshalb für das ökologische Gleichgewicht
der Meere eine Schlüsselrolle. Werden zuviele Haie gefangen und die Vermehrung durch
das Landen juveniler Tiere verhindert, droht der Kollaps - weil es so immer weniger Nachwuchs
produzierende Tiere gibt. Wie in vielen andern Ländern stehen auch
die Haipopulationen von Costa Rica wegen Überfischung kurz vor dem Zusammenbruch.
Umweltschützer vermuten, dass in Costa Rica jedes Jahr bis zu 200 000 Haie gefangen
werden. «Cartilade»-Importeur André Lorang, dessen Knorpelpulver vorwiegend aus
Costa Rica stammt, verschickt sein Haipulver mit einem eigenhändig
verfassten «Zertifikat».
Darin steht ein Satz, der in völligem Widerspruch zu den Erkenntnissen der Haiforschung
steht: «In vielen Teilen der Welt werden Haie regelmässig gefangen
und gehören keinesfalls zu den gefährdeten Fischarten.» Das in Costa Rica dort
fabrizierte Knorpelpulver wird fast ausschliesslich in die USA geliefert, wo es
auch für den europäischen Markt zu Pillen verarbeitet wird. Die Flossen der in in diesem
zentralamerikanischen Staat und auch anderswo gefangenen Tiere werden im Fernen
Osten zudem zusätzlich zu Aphrodisiaka verarbeitet - angeblich potenzsteigernden
Mittelchen. Die «Shark Technology of Costa Rica» erhielt 1992 von der Regierung den ersten
Preis für das «innovativste Export-Unternehmen».
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info
|