Shark Info Logo


Shark Info   (15.03.2000)

Author

  Intro:

Aliwal Shoal

Shark Info

  Hauptartikel:

Aliwal Shoal Hart umkämpftes Paradies für Sandtigerhaie

Andrew C. Cobb

  Artikel 1:

Lebendgebären bei Haien

Prof. H. Greven

  Artikel 2:

Die Molekularbiologie hilft Haie zu schützen

Prof. M. S. Shivji

  Fact Sheet:

Sandtigerhaie

Dr. E. K. Ritter


Die Molekularbiologie hilft Haie zu schützen

Von Prof. Mahmood S. Shivji

Die Entwicklung vieler Haipopulationen wird weltweit mit immer grösserer Besorgnis verfolgt. Der Grund für diese Besorgnis ist, dass die Haifischerei seit den achtziger Jahren sehr stark zunahm. Von Seiten der Fischereinationen wurden jedoch keine oder nur wenige Bemühungen unternommen, die Haipopulationen zu schützen und ihre natürlichen Bestände zu bewahren. Haie werden zwar schon seit frühester Zeit als Lieferanten von Fleisch, Haut oder Leberöl gefangen, doch hielten sich diese Fänge bis in die achtziger Jahre in vernünftigen Grenzen. Doch dann änderte sich plötzlich der Bedarf des Marktes und parallel dazu wurde die kommerzielle Fischerei generell sehr stark intensiviert, so dass der Anteil von Haien im Beifang explodierte.

Das plötzliche Interesse des Marktes an Haien wurde durch die ihren Knorpeln nachgesagte (aber wissenschaftlich bis heute nicht nachweisbare; Anm. d. Red.) pharmazeutische Wirkung und dem steigenden Bedarf des asiatischen Marktes an Flossen für Haiflossensuppe ausgelöst. Hinzu kam, dass die Fänge bis anhin genutzter Knochenfische stetig zurückgingen und Haifleisch als Ersatz für die traditionellen Fischprodukte herbeigezogen werden musste. Dass die Beifänge an Haien besorgniserregend steigen, ist auf die weltweite Intensivierung der Befischung von Hochseefischen wie Thunfischen, Schwertfischen und der grossen Goldmakrele (Coryphaena hippurus) zurückzuführen.

Viele Autoritäten in diesem Gebiet sind der Überzeugung, dass Beifänge die grösste Gefahr für die heutigen Haipopulationen darstellen. Eine Statistik der FAO (Food and Agricultural Organization) verdeutlicht, um welche Mengen an Beifang es sich hier handelt: allein im Jahr 1991 legten die Thun- und Schwertfischflotten Japans, Koreas und Taiwans Longlines mit zirka 750 Millionen Haken aus. Mit diesen Longlines wurden schätzungsweise 8.3 Millionen Haie gefangen!

Die Fischereiflotten befischen Haie nicht direkt, und früher wurden die zufällig an die Leinen gegangenen Haie einfach wieder in das Meer zurückgeworfen. Doch heute werden ihnen die Flossen abgeschnitten und die verstümmelten Rümpfe der oft noch lebenden Haie im Meer entsorgt.

Wissenschaftler und Tierschützer sind sich darüber einig, dass so schnell als möglich Schutzbestimmungen und Massnahmen zur nachhaltigen Bewirtschaftung der für die Oekologie des Meeres so entscheidenden Haie durchgesetzt werden müssen. Der immense Druck durch die Fischerei kann von den Haien mit ihrem langsamen Wachstum, später Geschlechtsreife und ihren wenigen Nachkommen nicht mehr kompensiert werden. Heute werden Haie in der Regel absolut unkontrolliert gefischt, ohne Bewirtschaftungspläne und ohne Berücksichtigung irgendwelcher Schonzeiten und Grössen, wie es sogar bei Knochenfischen (z.B. Heringen) der Fall ist. Derartige erhaltende Massnahmen und Bewirtschaftungspläne bedingen allerdings profunde wissenschaftliche Kenntnisse der Tiere, die man bewirtschaften möchte. Leider wird in dieser Hinsicht über Haie traditionell sehr wenig geforscht, was heute eine wissenschaftlich fundierte Bewirtschaftung der Haipopulationen sehr erschwert.

Eines der grössten Probleme ist das Fehlen von verlässlichen statistischen Daten über die Anzahl der verschiedenen Haiarten in direkten Fängen und Beifängen. Das Fehlen dieser Daten macht es fast unmöglich, den Druck der Fischerei auf einzelne Arten festzustellen. Wie andere Wirbeltiere unterscheiden sich auch die verschiedenen Haiarten bezüglich ihres Verhaltens und ihrer biologischen Charakteristiken (z.B. Anzahl Nachkommen, Wanderungen, Fressverhalten, Wachstumsraten, Physiologie). Diese Unterschiede machen es wichtig, dass Fangdaten auf Artenebene gesammelt werden. Denn nur mit diesem Wissen kann vermieden werden, dass gewisse, durch ihre biologischen Besonderheiten besonders empfindliche Arten, überfischt werden.

ausgeweidete Hairümpfe

Ausgeweidete Hai Rümpfe ohne Kopf, Flossen und Schwanz, wie sie am Hafen zum Verkauf angeboten werden. Meistens können nicht einmal Spezialisten die Art eindeutig feststellen. (Quelle: J. Castro).
© Prof. M. S. Shivj

Dass derartige artspezifischen Daten fast gänzlich fehlen, hat zwei Gründe. Der eine ist der, dass sich die einzelnen Fischereinationen einfach nicht die Mühe machen, solche Daten zu erheben. Der zweite ist, dass es selbst für Nationen, die eine gewisse Bewirtschaftung ihrer Haibestände praktizieren, sehr schwierig ist, verlässliche artspezifische Daten zu erheben. Hauptgrund dafür ist, dass oft nur ein geschultes Auge die einzelnen Haiarten voneinander unterscheiden kann. Gerade bei den besonders häufig gefangenen Arten der Gattung Carcharhinus ist dies besonders schwer. Ein weiterer erschwerender Faktor ist, dass die Haie an Bord der Schiffe sofort verarbeitet werden. Um Platz zu sparen werden ihnen Kopf, Flossen und Schwanz abgeschnitten und aus hygienischen Gründen die Eingeweide entfernt. Grosse Rümpfe werden meistens noch weiter verkleinert. Diese ausgeweideten Rümpfe werden dann direkt am Hafen verkauft. Die Artbestimmung eines solchen Rumpfes ist sogar für Fachleute wie Fischereibeobachter oder Fischhändler, die täglich mit Haien arbeiten, äusserst schwer.

Das Problem der Artbestimmung wird beim Finning noch grösser. Da nur die Flossen zur Verfügung stehen ist es beinahe unmöglich, nur anhand deren Form und Beschaffenheit verlässlich auf die Art zu schliessen. Die meisten Haifischerei Experten sind überzeugt, dass die Hauptgefahr für die Haipopulationen von der Finning Industrie kommt. Haie in Beifängen, die früher einfach wieder - lebend - ins Meer zurückgeworfen wurden, werden heute gefinnt und sterben. Betrachtet man die schiere Grösse und das stetige Wachstum dieser Industrie, so wird deutlich, dass gerade hier genaue Zahlen über die verschiedenen Arten für eine Bewirtschaftung der Haie sehr wichtig sind.

Haiflossen

Haiflossen deren Herkunft nur noch mit molekularbiologischen Methoden festgestellt werden kann.
© D. Perrine

Um das Sammeln von Fangdaten auf dem Artniveau möglich zu machen, haben wir untersucht, ob sich molekularbiologische Methoden dazu eignen, dieses Identifizierungsproblem zu lösen. Basierend auf früheren Untersuchungen in meinem Labor konnten wir feststellen, dass sich bestimmte Regionen der Chromosomen von Haien innerhalb einer Art fast nicht unterscheiden, zwischen verschiedenen Arten jedoch recht grosse Unterschiede feststellbar sind. In andere Worten; wir fanden bestimmte DNA Sequenzen, die typisch für eine bestimmte Haiart sind und so quasi als Fingerabdruck dieser Art benutzt werden können.

Mit Hilfe dieser Entdeckung und den bekannten, sehr effizienten molekularbiologischen Techniken konnten wir eine Reihe von DNA-Proben entwickeln, die für eine eindeutige Identifikation von bestimmten Haiarten eingesetzt werden können. Die Gewebeproben für diese Untersuchung können sehr klein sein, 10 mg von getrockneten oder frischen Flossen, Haut, Fleisch oder Blut reichen aus. Wir untersuchen die Proben darauf hin, ob sich ein spezifischer genetischer Fingerabdruck der Art in ihr befindet oder nicht. Bisher konnten wir DNA-Proben für neun häufig gefischte oder gefährdete Haiarten entwickeln. Heute können wir auch bei kleinsten Gewebeproben sicher feststellen, ob sie von einem Weissen Hai (Carcharodon carcharias), Blauhai (Prionace glauca), Fuchshai (Alopias vulpinus), Heringshai (Lamna nasus), Kurz- oder Langflossen Mako (Isurus oxyrinchus, I. paucus), karibischen Riffhai (Carcharhinus perezi), düsteren Hai (Carcharhinus obscurus) oder einem atlantischen Braunhai (Carcharhinus plumbeus) stammen. Wir arbeiten daran, diese Liste zu erweitern.

Um den Einsatz unserer DNA-Proben im grossen Stil, wie er für die Auswertung von Daten aus der kommerziellen Fischerei notwendig ist, möglich zu machen, arbeiten wir an der Optimierung des Identifikationsprozesses. Wir haben zum Beispiel ein neues, hoch interessantes System entwickelt, das die Untersuchung der Gewebeproben stark vereinfacht und beschleunigt, aber dennoch nichts an Genauigkeit verliert. Durch Optimierung der DNA-Proben und Testbedingungen können wir heute in einem einzigen Test alle neun Haiarten gleichzeitig unterscheiden. Dies reduziert den Arbeitsaufwand gegenüber der Bestimmung von nur einer Art pro Test um fast 90%. So können wir mehr unbekannte Proben schneller analysieren. Momentan arbeiten wir daran, die DNA-Proben auf einem Biochip zu fixieren, um die sogenannte Microarray Technologie einsetzen zu können, die eine Automatisierung und dadurch eine schnelle Auswertung vieler Proben erlaubt.

Wie schon erwähnt, ist die Kenntnis darüber, wie viele Individuen einer bestimmten Haiart gefangen werden von fundamentaler Bedeutung für den Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung von Haien. Die Methoden, die wir entwickelt haben, stellen ein praktisches Werkzeug dar, um das schon lange bekannte Problem der Identifikation von einzelnen Arten zu lösen. Sobald wir DNA-Proben für noch weitere Haiarten entwickelt haben, gibt es zumindest für diejenigen Industriestaaten, die ihre Haibestände schonen und schützen möchten, keinen vernünftigen Grund mehr, unsere Methoden bei der Auswertung ihrer Fischereidaten nicht einzusetzen. Voraussetzung dafür sind gewisse finanzielle Mittel und ein für sehr einfache molekularbiologische Untersuchungen ausgerüstetes Labor. Solche Labors gibt es heute in fast jeder grösseren Stadt. Industriestaaten sind für den grössten Teil der weltweit gefischten Haie verantwortlich. Ihre Beteiligung an der Sammlung artspezifischer Fangdaten über Haie wäre von unschätzbarem Wert für die Untersuchungen über den Einfluss der Fischerei auf die weltweiten Haibestände.

Ein anderes Forschungsprojekt unseres Labors ist eine Analyse der Herkunft der Haiflossen, die weltweit von Gross- und Detailhändlern angeboten werden. Wir möchten herausfinden, welche Haiarten bevorzugt gefinnt werden. Da sich das Angebot der Märkte von Land zu Land unterscheidet, nehmen wir an, dass je nach Land auch verschiedene Haiarten bevorzugt gefischt und gefinnt werden. Wir möchten untersuchen, welche Haie in welcher Region dem höchsten Druck durch die Fischerei ausgesetzt sind, um so nationalen und internationalen Schutzorganisationen dabei zu helfen, Schutzprogramme zu starten, die auf soliden Daten basieren.

Ein weiteres Einsatzgebiet unserer Methoden zur Identifikation verschiedener Haiarten liegt direkt im Haischutz. Zum ersten Mal wird es möglich sein, bedrohte Haiarten anhand von kleinsten Gewebeproben zu identifizieren. Durch jetzige oder zukünftige Artenschutz-Abkommen geschützte Haie können, auch wenn nur Teile von ihnen vorliegen, als solche identifiziert und Verstösse gegen die Schutzabkommen geahndet werden.

Wir hoffen, dass unsere neue Identifikationsmethode für Haiarten, sobald sie global eingesetzt wird, einen sehr wichtigen Schritt in Richtung Haischutz und einer besseren Bewirtschaftung der Haie darstellt.

DNA kommt aus dem Englischen und steht für «desoxyribonucleic acid». Die deutsche Bezeichnung DNS für Desoxyribonuklein Säure ist weniger gebräuchlich. Die DNA befindet sich bei Lebewesen mit Zellkern im Zellkern und enthält die Bauanleitungen für alle Eiweisse des Körpers (Anm. d. Red.).

* Prof. Mahmood S. Shivji ist Assistenzprofessor am «Oceanographic Center» der Nova Southeastern Universität in Dania Beach, Florida, USA.

Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Prof. Mahmood S. Shivji



  top

 

modifiziert: 04.06.2016 11:48